„So wie das G8 ist, kann's nicht bleiben“

Schüler des Leibniz-Gymnasiums diskutieren mit vier Landtagskandidaten über Bildungspolitik

Matthias Oechsner sitzt vorne auf der Bühne, schaut sich um und nimmt durch seine schmalen Brillengläser die zuhörenden Gymnasiasten und die Festhalle genauer in Augenschein. Der 45-Jährige war zu Schulzeiten selbst Leibnizianer.

Hier in der Halle hat er vor zirka zweieinhalb Jahrzehnten seinen Abiball gefeiert. Geändert hat sich am Zustand der Halle nichts, im Gegenteil: "Früher hat sie noch etwas besser ausgesehen. Hier müsste dringend was getan werden", sagt der Landtagskandidat der FDP im Wahlkreis III. Ein ähnlich ernüchterndes Déjà-vu-Erlebnis dürfte wohl auch der Anblick der Toiletten im Schulhaus des Leibniz-Gymnasiums gewesen sein. Schulleiter Otto Fischer hat Oechsner vor der Podiumsdiskussion das Jungen-WC gezeigt und damit dem Wunsch Ausdruck verliehen, dass eine ähnliche Polit-PR-Aktion wie am benachbarten Neuen Gymnasium auch seiner Schule ganz guttun würde. Dort waren neulich der CDU-Landtagsabgeordnete Reinhard Löffler und einige Vertreter der Feuerbacher CDU aufgetaucht. Sie hatten passend vor der Landtagswahl und im Beisein der Presse für eine von den Feuerbacher Christdemokraten initiierte Spendenaktion geworben. Eines der ältesten Urinale der Schule wird dort gerade saniert. Firmen und die Stadtverwaltung sind auch beteiligt (wir berichteten).

Doch mit solchen sicher hilfreichen Einzelaktionen dürfte den jahrelangen Versäumnissen bei der Sanierung der Schulen nicht beizukommen sein. Bildungspolitische Mängel und Versäumnisse habe es auch bei der Umsetzung des achtjährigen Gymnasiums (G 8) gegeben, kritisierten einige Politiker bei der von der Schülermitverantwortung (SMV) organisierten Podiumsdiskussion. "Soll das G 8 so fortgeführt werden?", wollten SMV-Sprecher Daniel Rittner und Verbindungslehrer Christoph Bauer von der Runde wissen. Harsche Kritik kam von SPD-Kandidatin Ruth Weckenmann. Als Mutter erlebe sie tagtäglich die Schwächen der Reform. Die Straffung der Bildungspläne sei nur eines der Probleme: "So wie es jetzt ist, kann das achtjährige Gymnasium nicht fortgeführt werden", sagte Weckenmann. Auch für Franz Untersteller von den Grünen sind die Defizite offensichtlich. "Der individuellen Förderung der Schüler" müsse mehr Zeit beigemessen werden, meinte der umwelt- und energiepolitische Experte der Grünen im Landtag. "Man kann G 8 einführen, aber dann muss man auch die Voraussetzung dafür schaffen." Besonders wichtig sei die Einführung der Ganztagesschule, so Untersteller.

Reinhard Löffler räumte ein, dass bei der Umsetzung des G 8 noch der "richtige Mittelweg" gefunden werden müsse, manches sei verbesserungswürdig: "Da ist noch nicht alles durchdacht." Für Matthias Oechsner ist G 8 der richtige Weg, auch wenn die Lehrpläne straff und mit Inhalten vollgepackt seien. Dass die Einführung des G 8 für schlechtere Schülerleistungen sorge, stimme nicht. Wichtig sei, die Schulen an sich zu stärken. Für verbalen Zündstoff in der Runde sorgte auch die Beurteilung, inwiefern Studiengebühren sozial verträglich seien. "Die Studiengebühren sind so schlecht nicht. Es muss ja auch alles finanziert werden", argumentierte Oechsner. Weckenmann verfolgt einen anderen Ansatz. "Wenn die Akademiker nach dem Studium gut verdienen, können sie es später im Beruf mit der Steuer zurückzahlen." Die jetzigen Gebühren würden eher abschreckend wirken: "Wer keine reichen Eltern hat, studiert im Normalfall nicht", so Weckenmann. Löffler kann die Aufregung nicht recht verstehen: "Baden-Württemberg ist der beste Ort, um zu studieren." Es gebe hierzulande exzellente Universitäten, und die Zahl der Studienplätze sei stark ausgeweitet worden. Untersteller hielt Löffler entgegen. Die Zahl der Studienplätze sei zwar nach oben korrigiert worden, aber es seien vom Land keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt worden. Weitere Probleme entstehen dadurch, dass der letzte alte G-9-Jahrgang 2012 sein Abitur macht - zusammen mit den Schülern aus dem G-8-Jahrgang. Durch den Doppeljahrgang drängen auch zweimal so viele Abiturienten auf den Studien- und Ausbildungsmarkt. "Ich sehe große Nachteile für diesen doppelten Jahrgang. Die sind die Gekniffenen", meinte Weckenmann.

 

Von Georg Friedel
Mit frdl. Genehmigung der Nord-Rundschau

Veröffentlicht am 01.02.2011