Gewehrschüsse

im einsamen Waldtal

Die Gaststätte Mähderklinge im gleichnamigen Tal besteht seit 1990 und ist heute - anders als früher - umgeben von Ruhe. Foto: feuerbach.de Bild 1 von 1: Die Gaststätte Mähderklinge im gleichnamigen Tal besteht seit 1990 und ist heute - anders als früher - umgeben von Ruhe. Foto: feuerbach.de

Den Menschen in Bussen und Bahnen fällt es im Vorbeifahren kaum auf: Manche Orte erzählen schon mit ihrem Namen, dem Haltestellennamen, eine Geschichte. Heute: Mähderklinge.

Einst lag hier Pulverdampf in der Luft, zerrissen zackige Kommandos und Gewehrschüsse die Waldesstille. Heute riecht es eher nach Pferdeäpfeln und Grillfleisch, ist fröhliches Gläsergeklirr aus dem Biergarten zu vernehmen.

Die Geschichte der intensiven Nutzung dieses Tales beginnt weit weg von hier, unten im Stuttgarter Westen. Dort lag im Bereich Rotebühl-/Rötestraße ein Schießstand, an dem sich die Soldaten der Stuttgarter Kasernen im Umgang mit Feuerwaffen übten. Doch die Wohn- und Geschäftshäuser rückten näher. So suchte die Militärverwaltung einen neuen Standort für die Anlage - und begann 1869 in Feuerbach, eben an der Mähderklinge, erste Flächen aufzukaufen.

Ab dem Jahre 1870 marschierten die Kolonnen der Soldaten und Offizieren hierher und versuchten, die Schießscheiben zu treffen. Bereits 1874 und dann noch einmal 1878/79 vergrößerte das Heer die Anlage um jeweils mehr als 100 Ar. 600 Meter lang waren schließlich die Schießbahnen zusammengenommen; ihre Wälle und Mauern sind teilweise noch heute zu identifizieren. Restlos verschwunden hingegen sind die 1886 errichteten dazugehörigen Gebäude.

Immer wieder gab es Ärger um den Schießplatz; verirrte Gewehrkugeln richteten in den oberhalb gelegenen Weinbergen Schäden an, sollen gar harmlose Wengerter getroffen haben. 1892 wurde deshalb, ausweislich von Akten im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, der Schießbetrieb vorläufig eingestellt, später jedoch wieder zugelassen. Folgerichtig lehnten die Feuerbacher Behörden eine vorgeschlagene erneute Vergrößerung der Bahnen 1904 ab. Um diese Zeit herum hatte übrigens der ortsansässige Chemiebetrieb J. Hauff & Co. ganz andere Pläne mit der Gegend: Er beantragte den Bau einer höchst gefährlichen Pikrinsäurefabrik in der abgelegenen Gegend.

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem damit verbundenen Ende der kaiserlichen deutschen Armee scheint der Schießplatz dann aufgegeben worden zu sein. Jedenfalls finden sich nun keine entsprechenden Akten mehr in den hiesigen Archiven.

Wer heute an der Haltestelle Mähderklinge der Buslinie 91 entsteigt - an der Feuerbacher-Tal-Straße, gleich beim Restaurant Wiesengrund - der plant vielleicht einen schattigen Spaziergang auf dem Neun-Buchen-Sträßle hinauf zur Hohewart. Möglicherweise strebt er einem Kleingarten zu; die Gartenfreunde Feuerbach betreiben hier ihre beiden Anlagen Mähderklinge I und II. Womöglich soll"s in den Biergarten oder das Restaurant Mähderklinge, eröffnet 1990, gehen, das auch als Vereinsheim des Musikvereins Stadtorchester Feuerbach 1899 dient.

Ach ja, und was bedeutet der Begriff Mähderklinge, manchmal auch als Mäderklinge geschrieben, überhaupt? Der Feuerbacher Herbert Brauch, der spätere Schulleiter des Schickhardt-Gymnasiums, schrieb 1934 seine Dissertation über die Flurnamen von Feuerbach. Dort heißt es: "Mäder ist Plural von Mad = das Gemähte oder zu Mähende." Die Mähderklinge ist also eine in einem engen Tal, einer Klinge, gelegene "Wiese, die nur einmal im Jahr gemäht wird". Womit auch das geklärt wäre.

 

Von Ulrich Gohl
Mit frdl. Genehmigung der Nord-Rundschau

Veröffentlicht am 22.08.2011