Der Lemberg ruft. Freunde, Nachbarn und Bekannte der Wengerterfamilie Rajtschan sind dem Ruf des Weinbergs am vergangenen Samstagvormittag gefolgt. In der Nacht und am Morgen hat es noch leicht geregnet, aber jetzt kommt die Sonne heraus.
Gegen 11
Uhr begibt sich die erste Gruppe der 16 Helfer mit der Rebschere in die steilen
Rieslinglagen der Rajtschans, die direkt unterhalb des Feuerbacher Höhenwegs
liegen. "Heute kommt alles, was faulig ist, weg", erklärt Manfred
Rajtschan. Die Beeren mit Edelfäule werden extra gelesen, sie sollen später als
Spätlese im eigenen Keller ausgebaut werden. Die anderen Rieslingtrauben lassen
die beiden Brüder noch an den Rebstöcken hängen. Wie lange noch? Siegfried und
Manfred Rajtschan legen sich nicht fest: "Das hängt vom Wetter ab und wie
sich die Trauben weiter entwickeln", erklären die Brüder.
Und was da hängt, sieht gut aus. Die Wespen haben das auch erkannt und einige
Beeren angeknabbert, deshalb muss einiges aussortiert werden. Die Trauben sind
sehr reif für Mitte September: "Ich kann mich nicht erinnern, dass wir
schon mal während der Kirbe die ersten Sorten gelesen und geraspelt
haben", sagt Helmut Wirth, der Vorsitzende des Wein-, Obst- und Gartenvereins,
beim traditionellen Herbstansingen mit dem Posaunenchor und Pfarrer Timmo
Hertneck am vergangenen Freitag.
Ihren Dornfelder oder Regent haben deshalb viele der Feuerbacher Wengerter
schon in die Kelter gebracht. Dort, wo sich während des Kelterfestes Bierbank
an Bierbank reiht, stehen nun grüne Zuber mit den jeweiligen Namen drauf in
Reih und Glied. Voll wird es hier kommendes Wochenende werden, wenn der
Trollinger dran ist. Drängeln ist zwecklos. Johann Pütz, der neue
Keltermeister, (siehe Interview) hat dann alle Hände voll zu tun und achtet
darauf, dass die im Kelterbuch festgelegte Reihenfolge eingehalten wird. Der
64-Jährige löst Gerhard Otto in dieser Funktion ab. Erfahrung mit dem Weinbau
hat der Saarländer aus seiner Jugend.
Weil momentan in der Kelter noch nicht ganz so viel los ist, kann er sich Zeit
nehmen, den beiden Weinbau-Novizen Peter Avelini und Matthias Geiger ein paar
Tipps zu geben und zu zeigen, wie die ihren Regent verarbeiten und pressen
können. Die beiden Feuerbacher haben von einem Bekannten, der für seinen
Weinberg Nachfolger gesucht hat, die Bewirtschaftung übernommen. Auf acht Ar,
also 800 Quadratmetern, wachsen dort Trollinger und Regent. "Wir machen
das aus reinem Spaß an der Freude", sagt Avelini, der als niedergelassener
Arzt in Feuerbach arbeitet. Auf ihren ersten selbst erzeugten Wein sind alle im
Familien- und Bekanntenkreis schon sehr gespannt: "500 Liter dürften es
schätzungsweise schon werden."
1,5 Hektar bewirtschaften dagegen derzeit die Brüder Rajtschan. Bei ihnen wächst
Dornfelder, Lemberger, Trollinger, neuerdings auch Merlot und Cabernet-Franc
und die Weißwein-Sorten. Der schwere Lehmboden des Lemberg ist ideal. Er kann
viel Wasser speichern und gibt dem Riesling eine ganz eigene Note. Die beiden
Brüder rechnen mit einem guten bis sehr guten Wein, auch bei den roten Sorten.
Dass ihre Tropfen seit einiger Zeit auch von Weinkennern, die früher die
Feuerbacher Lagen lieber links liegen ließen, goutiert werden, hängt allerdings
auch mit der Arbeit des Juniors Fabian Rajtschan ab. Der 25-Jährige hat gerade
sein Bachelorstudium in den Fächern Weinbau und Kellereitechnik an der
Forschungsanstalt Geisenheim abgeschlossen und verfolgt nun höhere Ziele mit
dem Weingut seines Vaters und Onkels: "Wir sind jetzt eher die Statisten
und machen das, was Fabian uns sagt", berichtet sein Vater schmunzelnd.
Beim Dornfelder und Lemberger verzichtete der Junior beispielsweise auf die
Filtration, um den Wein nicht wichtiger Geschmacksträger zu berauben. Die
naturtrüben Teile setzen sich ab, dem im Barriquefass ausgebaute Rotwein tut
das sehr gut. Der junge Feuerbacher war übrigens zu Studienzwecken auch im
amerikanischen Anbaugebiet Napa Valley. Aus der Ferne bringt er Anregungen mit,
nun will er am Lemberg Neues probieren. Merlot und Cabernet-Franc wachsen dank
ihm neuerdings auf 0,5 Hektar am Lemberg. Die beiden älteren Rajtschans sind
stolz, dass der 25-Jährige die Familientradition in der siebten Generation
weiterträgt und sich fest entschlossen ist, den Weinbau am Lemberg professionell
zu betreiben. Experimentierfreudig ist der weinkundige Junior ohnehin. So hat
Fabian Rajtschan die so genannte Cordon-Erziehung bei einigen Rebstöcken im
heimischen Wengert eingeführt. Bei dieser Erziehungsmethode wachsen die Triebe
auf einem Rebarm, der horizontal am untersten Draht fest gebunden ist.
Grundsätzlich geht es darum, den Wuchs des Rebstocks durch Schnitt und andere
Maßnahmen so zu lenken, dass der Traubenbehang und die Masse des Laubes die
Qualität der Beeren positiv beeinflussen. Durch die Cordon-Erziehung werde der
Behang beim Riesling lockerbeeriger, es komme mehr Sonnenlicht an die Traube,
erklärt Manfred Rajtschan. Genau das ist das Ziel des modernen Weinbaus. Klasse
statt Masse zu erzeugen.
Währenddessen geht die Arbeit im Weinberg schneller voran als gedacht - viele
Hände machen ein schnelles Ende, auch Bezirksvorsteherin Andrea Klöber hilft
heute mit. Die Aktivität im Weinberg ist ein idealer Ausgleich zum stressigen
Job. Man bewegt sich und diskutiert nebenher über dies und das. Um 13 Uhr wird
vor dem Wengerterhäuschen gevespert. Es gibt Fleischkäse mit Kartoffelsalat und
Engadiner Nusstorte. Und natürlich den eigenen Wein mit dem neuen Logo:
"70469R!" Die Ziffer ist die Postleitzahl als numerisches Bekenntnis
zu Feuerbach. Die Aussicht hier oben ist herrlich. Und die Aussichten auf den
kommenden Jahrgang sind es ebenfalls. Aber der Hauptteil der Arbeit kommt erst
noch. Denn der Wein reift zweimal, einmal im Weinberg und das zweite Mal im
Keller. So gesehen ist erst Halbzeit.
Von Georg Friedel
Mit frdl. Genehmigung der Nord-Rundschau