In der launischen Aprilnacht strahlten die Künste umso heller

„Entdecken und staunen“ lautete bei der 6. Feuerbacher Kulturnacht die Devise

Beim „Gruselett“ in der Stadtteilbücherei. Fotos: Susanne Müller-Baji, feuerbach.de Bild 1 von 18: Beim „Gruselett“ in der Stadtteilbücherei. Fotos: Susanne Müller-Baji, feuerbach.de

„102 Gespensterchen“ erschallt es gerade durch die Feuerbacher Stadtteilbücherei: Studentinnen der Staatlichen Hochschule  für Musik und Darstellende Kunst haben ein gruselig-nettes Programm für die kleinsten Gäste der Kulturnacht ausgearbeitet. Hunde heulen, Geister spuken, bis, ja bis die Hexe sich nach einem schaurigen Kichererbsenbrei einfach totlacht.

Im Anschluss lädt die Werkschau “Schulkunst” zum Rundgang ein, zu der landesweit Schüler ihre besten Arbeiten beigesteuert haben: Ob sie nun Holzlineale zu Assemblagen verbaut oder Skulpturen einen Drahtbürsten-Irokesenschnitt verpasst haben – die nächste Generation lässt auf Großes hoffen. Zu sehen sind die Arbeiten übrigens noch bis 2. Mai.

Draußen hat das Aprilwetter einen erneuten Haken geschlagen – und wird leider den gesamten Abend in ein Wechselbad der Gefühle tauchen. Zum Glück eröffnet in der angrenzenden Lutherkirche gerade eine Ausstellung japanischer “Sumi-e”, “Tuschebilder”, und die Künstler zeigen zudem eine Kostprobe ihres Könnens: Die fünf haben sich bei MalKursen kennengelernt und sind nun auf Deutschlandbesuch, erklärt Dolmetscherin Yumiko Shii-Michelbach: “Bei uns in Japan gibt eine Seniorenakademie, so wie es in Deutschland eine Kinder-Uni gibt”. Die japanische Tuschemalerei brauche viel innere Ruhe, erläutert der Künstler Shirakawa, heute gehe es fast schon zu turbulent zu. Aber man merkt ihm an, wie sehr ihn das Interesse der Feuerbacher freut. Zwei Stunden wollen die japanischen Gäste malen und dann ihrerseits die Kulturnacht ergründen.

Definitiv zu laut wäre es ihnen wohl im Freien Musikschulzentrum (fmz), wo Kinder gerade nach Herzenslust Instrumente ausprobieren dürfen: So sehr der kleine Veit auch dicke Backen macht, dem Jagdhorn entlockt er nur ein müdes Röcheln. Seine Schwester Melinda guckt daher sehnsüchtig in Richtung des Schlagzeugraums: Musik muss manchmal ohrenbetäubend sein. Laut werden auch die Akteure des Ensembles “Komitee Komplett”, als sie im Gebrauchtwarenkaufhaus Fairkauf Einblicke in ihr Repertoire gewähren und für das neue Stück “Zuhause” werben, das Ende Mai ebenfalls bei Fairkauf Premiere hat. Gerade gibt es ein Versucherle aus “Top Dogs”: Die Finanzkrise hat den Alphamann aus Amt und Würden katapultiert und er kann so gar nicht einsehen, dass er für seine “nicht-börsennotierte Ehefrau” den Müll runterbringen soll.

Schnell nun hinauf in die Junghansstraße, wo gut versteckt im dritten Stock auf dem MKI-Areal der Stadtjugendring Arbeiten zeigt, die Jugendliche bei den diversen Stuttgarter Kreativ-Angeboten gefertigt haben. Die Vielfalt ist riesig: Vom Integrationsprojekt für Menschen mit Behinderungen bis zur “Russischen Orthodoxen Jugend”. Es sei besonders schön zu sehen, dass so mancher Teilnehmer der Kreativkurse später als Betreuer zurückkommt, sagt Bildungsreferent Aytekin Celik und verweist auf die neue Info-Broschüre “Kostengünstige Maßnahmen für Kinder”, die zeigt, dass Kreativität sich auch mit wenig Geld fördern lässt.

Von einfachem hat sich auch der Kornwestheimer Künstler Michael Bischof inspirieren lassen: Ein mumifizierter Frosch, den er bei seinen Streifzügen gefunden hatte, inspirierte ihn zu seiner Werkserie “Frogs”. Bei seiner Vernissage im Immobilienshop von Engel & Völkers in der Klagenfurter Straße am Samstagabend waren die Frösche daher überall: Aus der Gitarren-Improvisation von Andreas Konstandaras erklang das typische Quaken und sogar als Fruchtgummi tummelten sie sich in den Snackschalen. Die gewitzten Tuschezeichnungen werden nun auch über Kulturnacht hinaus noch bis zum 2. Mai zu sehen sein.

Inzwischen ist es Nacht geworden und wieder einmal hat Regen eingesetzt. Das Gemeindehaus von St. Josef wirkt da wie eine Lichtinsel – zumal von drinnen lieblicher Satzgesang erklingt: Kantor Detlef Dörner wirbt für seinen Kirchenchor und hat dazu knitz ein Mitmachprogramm für alle ersonnen: Gerade hat er den Ursprung des Kanons erklärt, jetzt studieren seine Gäste auch schon “Due pupille amabili”, “Zwei allerliebste Äugelein”, von Wolfgang Amadeus Mozart ein. Es wird vor Liebe bald gestorben, “io moriro d’amore” erklingt es durch alle Stimmlagen. Wenn da nicht so mancher seine Liebe zum Chorgesang entdeckt... Und das wäre schließlich der größte Erfolg dieser sechsten Feuerbacher Kulturnacht: Wenn aus “Kultur entdecken” Schritt für Schritt ein “selbst Kultur schaffen” würde.

Im Bezirksrathaus setzen nun aber leichte Ermüdungserscheinungen ein: Drinnen gibt es “Feuerbacher Wein und Prickelndes”, daraus fällt ein stetiger Regen. Ein letzter Gang führt erneut ins Freie Musikschulzentrum hinüber, wo inzwischen die Lounge von fmz und feuerbach.de zum “Chillen” einlädt. Auf der Bühne verschmilzt bei “Foigl” Klezmer mit Jazz. Joachim Arendt vom “Begehbaren Feuerbacher Gedächtnis” präsentiert am feuerbach.de-Stand die Seite zur 100-jährigen Geschichte von Leibniz-Gymnasium und Festhalle. Und die Leckereien, die im Eingangsbereich mit Schriftzügen und Fotos personalisiert werden, duften köstlich. Jetzt die Beine hochlegen und über die nächste Kulturnacht nachdenken!



Von Susanne Müller-Baji

Veröffentlicht am 23.04.2012