Motivationstrainer und andere Ratten

Theaterensemble Komitee Komplett bringt Stück „Hauptsache Arbeit!“ im Fairkauf auf die Bühne

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Jetzt beginnt wieder die Zeit der Betriebsweihnachtsfeiern. Wer beim Gedanken daran Magengrimmen bekommt, ist ganz bestimmt ein Kandidat für „Hauptsache Arbeit!“, ein bitterböses Stück von Sibylle Berg, das das Ensemble „Komitee Komplett“ nun im Feuerbacher Gebrauchtwarenkaufhaus Fairkauf auf die Bühne bringt.

Das Laientheater beweist damit einmal mehr ein glückliches Händchen, was die Auswahl seiner Stücke angeht: Fairkauf ist ja auch ein Caritas-Arbeitshilfeprojekt, das Menschen wieder zurück in den ersten Arbeitsmarkt bringen soll.

Allein, nach dem Theaterbesuch ist man sich gar nicht mehr so sicher, ob das überhaupt erstrebenswert ist. Denn im überaus schrillen Stück der deutsch-schweizerischen Autorin Sibylle Berg ist der Chef notgeil und trägt Fellstiefel, mutmaßlich die Felle der “Babytiere”, an denen er seine Grausamkeit gelernt hat. Die Angestellten, die er bereits entlassen hat, sind – ohne es freilich zu wissen – noch glimpflich aus der Sache herausgekommen: Geblieben sind nur noch die Harten, die ihr ganzes Leben der Arbeit verschrieben und ihre Seele verkauft haben, die nach oben buckeln und nach unten treten.

Der Alptraum entspinnt sich unter dem Zutun dreier Ratten, die den Betriebsauflug per Boot als in sich geschlossenen Versuchsaufbau inszenieren und so mal den Menschen zum Labortier machen. Schöne neue Arbeitswelt: Als Motivationstrainer Frank getarnt moderiert die Alpha-Ratte eine Reihe höllischer Spielrunden, bei denen nicht weniger als der Arbeitsplatz und die eigene Existenz auf dem Spiel steht. Angefeuert von Schlachtrufen wie “Schneller und härter geht es immer” und “Ich liebe meine Arbeit” geht es auf zum Seelenstriptease, werden unter Kollegen Elektroschocks verteilt und Frauen missbraucht. Überhaupt die Frauen: Sie dürfen “Ich fühle mich wohl damit, weniger zu verdienen” hauchen oder dem Chef mit einer Papiertüte über dem Kopf zu Willen sein.

Übertrieben? Ja, vielleicht. Wer schon einmal die einschlägige Manager-Literatur gelesen oder an entsprechend hochrangigen Vorstandsitzungen teilgenommen hat, weiß leider aber auch: So ganz abwegig ist das alles nicht. Und eine Erkenntnis wirkt noch lange nach: Dass diejenigen, die aus dem System gefallen sind, sich nach nichts mehr sehnen als nach Arbeit, Struktur und einem Platz in der Erwerbsgesellschaft. Wer hingegen Teil der Maschinerie ist, hasst oft nichts mehr als seine Arbeit, seinen Chef oder seine Kollegen. Oder wie es eine der Ratten auf den Punkt bringt: “Mord ist die zweithäufigste Todesursache am Arbeitsplatz in den USA”.

Fast ein Jahr lang hat sich das “Komitee Komplett” das Stück unter der Regie von Wilfried Alt erarbeitet. Jetzt agieren die Laien-Schauspieler gekonnt und mit viel Liebe zum Detail, allen voran Jasmin Stiegler, die den schillernden Frank voller Lust an der Boshaftigkeit spielt. Das Stück selbst ist laut, schrill und bitterböse. Man könnte es als plakativ abtun, doch wie so oft enthält es leider ein Körnchen Wahrheit. Die meisten Bühnencharaktere überleben den Höllentrip übrigens nicht, dabei haben sie zuvor noch mit “Schlafen, essen, ficken, Kinder, ein schönes Heim, ein größeres Auto” ihren bescheidenen Anteil am Glück gefordert. Genützt hat es alles nichts. Der Zuschauer hingegen verlässt die gemütlichen Sofa-Ränge im Sozialkaufhaus mit einem beunruhigenden Gefühl: Die eigene Betriebsweihnachtsfeier wird man von nun an fürchten – oder erst recht genießen.


Info:
„Hauptsache Arbeit“ wird an folgenden Tagen im Feuerbacher Fairkauf, Steiermärkerstraße 33, aufgeführt: Am 29. und 30. November, am 6. und 7. Dezember, am 24., 25. und 31. Januar sowie am 1. Februar. Vorstellungsbeginn ist jeweils um 20 Uhr. Karten können bei www.komitee-komplett.de reserviert werden oder unter Telefon 0177/51 04 696.

Susanne Müller-Baji
Veröffentlicht am 28.11.2013