Zum Weltgestaltungs-Lehrgang an die „UNO-Uni“

Feuerbacher Moritz Bott nimmt zum zweiten Mal als „Diplomatenstudent“ an UN-Modell-Konferenz in New York teil

Hier haben sich die großen der Welt gezofft - diese hier blieben friedlich: Die Chile-Delegation mit den Studenten der Reutlinger Hochschule im grossen Konferenzsaal der UN in New York. Fotos: Privat Bild 1 von 2: Hier haben sich die großen der Welt gezofft - diese hier blieben friedlich: Die Chile-Delegation mit den Studenten der Reutlinger Hochschule im grossen Konferenzsaal der UN in New York. Fotos: Privat

Wenn man etwas erlernen will, bietet es sich an, dies erstmal an einem Modell zu üben. Das ist bei der hohen Schule der Diplomatie der UN nicht anders als etwa im Unterrichtsraum einer Fahrschule.

Die bewährte Aufteilung zwischen Theorie und Praxis ist dabei wohl auch in der Diplomatie das Mittel der Wahl. Nachwuchsdiplomaten, Business-Hochschulabsolventen und Politikstudenten, die in die Fußstapfen eines Kofi Annan oder Hans-Dietrich Genscher treten wollen, gibt die UN in New York schon seit 45 Jahren im Rahmen des Programms „National Model United Nations“ (NMUN) die Gelegenheit, dies ganz praktisch zu „üben“.

Dieses Jahr wurde der Feuerbacher Moritz Bott, Spross der Feuerbacher Sanitärsfamilie Bott und Student an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen, zusammen mit 23 seiner studierenden Kollegen von der UN zum „Diplomaten auf Zeit“ ernannt und bekam die Gelegenheit, im März in den Big Apple zu reisen und dort im wahrsten Sinne des Wortes „Diplomatie zu üben“ (wir berichteten).

5 Tage lang debattieren, Resolutionen erarbeiten und verhandeln
Er vertrat dabei zusammen mit seiner Delegation aus Reutlingen in einer Modellkonferenz die Interessen des Landes Chile. Die Delegierten mussten in „Konferenzsimulationen“ die Interessen diese Landes vertreten – sozusagen „zu Übungszwecken“. Dabei repräsentierten alle 24 Delegierten das Land Chile. Je 2 Delegierte wurden dabei einem Komitee zugeteilt, jedes Komitee hatte 3 verschiedene Themen zur Vorbereitung.
Dadurch, dass es etliche Komitees gab – mehr als 20 – brauchte jedes Komitee einen eigenen Saal. Diese verschiedenen Sitzungen wurden dann in Konferenzräumen im Hilton und Sheraton Hotel vorgenommen. Insgesamt nahmen an der Veranstaltung 2500 Studenten teil. Im Komitee von Moritz Bott waren 500 Delegierte aus zahlreichen Nationen.
Lediglich am letzten Tag konnten alle den berühmten grossen Konferenzraum der UN bei der finalen Sitzung bestaunen – jenem legendären Saal, in dem Chruschtschow das Rednerpult mit seinen Schuhen malträtierte, Colin Powell die Welt belog und Ahmadinedschad sie aufhetzte.

Moritz Bott, re., und Nils Reich, ein Kollege aus seiner DelegationLange Vorbereitungsphase
Bott erklärt, wie die Vorbereitung ablief: „Vor einem Jahr habe ich im Rahmen der NMUN drei Themen zugeteilt bekommen, die in dem mir zugeteilten Komitee „General Assembly 3rd“, im März dieses Jahres in New York, behandelt werden sollten: Das Recht von indigenen Völkern, Rechte eines Individuums in der digitalen Zeit und Intoleranzen (Rassismus etc.). Darauf musste ich mich entsprechend die ganze Zeit davor vorbereiten. Der Vorteil unserer Delegation war, dass wir bei etlichen Eloquenz- und Rhetorikseminaren zuvor partizipierten und das Halten von freien Reden uns keine Schwierigkeiten bereitete, sondern unsere Stärke war. Die 'Challenge' bestand anfangs darin, immer in der Rolle des zugewiesenen Landes zu bleiben; dies beinhaltete auch das sprechen in Wir-Form, also z.B: 'Die Republik Chile schätzt Ihren wertvollen Beitrag bezüglich dieses brisanten Themas' - eventuelle Lösungsansätze mussten aus chilenischer Sicht und nicht aus deutscher Sicht erbracht werden.“

Vom Entwurf zur Resolution
Ziel eines jeden Delegierten ist es, Resolutionen einzubringen. Die Interessen des jeweiligen Landes sind dabei zu berücksichtigen, sowie Problemlösungen zu erarbeiten, kurzum: Es dreht sich alles ums Handeln im Interesse eines Landes.

„Es ging z.B. bei uns um Fragen wie: Wie gliedert man die indigenen Völker in Gesellschaft ein? Und um damit zusammenhängende Themen wie Bildung und ähnliches. Für das Zustandekommen einer Resolution sucht man sich Staaten mit ähnlichen Interessen aus, um Mehrheiten zu erreichen. Chile hat sich mit den 'GRULAC'-Staaten (südamerikanischer Staatenbund) zusammengetan und Allianzen gebildet, die sich gegenseitig helfen und 'den Rücken freihalten'.“, so Bott weiter.

Anfangs ist so eine Resolution, an der auch Bott mitgearbeitet hat, immer nur eine „Entwurfsresolution“. Diese hat das Ziel, dass ein darauf aufbauender zweiter Entwurf zu einer „richtigen“ Resolution werden kann. Damit diese sich dann durchsetzen und zur Wahl stehen kann, müssen die Diplomaten Allianzen mit anderen Staaten bilden. Bott hat am Ende an zwei von insgesamt Acht Resolutionen mitgearbeitet, die beide mehrheitlich angenommen wurden. Diese haben dann die „Chance“, von den „Profi-Diplomaten“ eingesehen zu werden, die sich davon ggf. in ihrer Arbeit „inspirieren lassen“.

„Es waren für uns fünf intensive Tage, da ist man nachher im wahrsten Sinne des Wortes 'platt'. Es gab zahlreiche informelle und formelle 'Sessions', mit vielen Debatten und zum Schluss gab es eine Abschlusszeremonie mit dem Vertreter von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Jan Eliasson, dem ehemaligen Aussenminister von Schweden.“, so Bott resümierend.

Big Apple is calling... again
Vor kurzem wurde Moritz Bott zusammen mit einem weiteren Kollegen der Reutlinger Hochschule zum „Head Delegate“ der Reutlinger Delegation von 2016 ernannt. Er wird eine neue Delegation von 24 Studenten vertreten und nächstes Jahr – wieder im März – nach New York reisen, diesmal für 2 Wochen.

Wer weiß, vielleicht ist es ihm bereits mit zu verdanken, dass bald etwa mehr Indio-Kinder in Chile die Vorteile einer schulischen Ausbildung wahrnehmen können... und vielleicht bekommt er nächstes Jahr die Chance, eine Friedensresolution für die Ukraine mit vorzubereiten... die Welt würde das sicher gut finden!

Veröffentlicht am 18.06.2015