Begehbares Feuerbacher Gedächtnis

Schutzwälle auf dem Lemberg

Feuerbacher Höhenweg

Karte Lemberg (Planausschnitt: Städte-Verlag) Bild 1 von 5: Karte Lemberg (Planausschnitt: Städte-Verlag)

Der Feuerbacher Höhenweg ist in erster Linie ein Wirtschaftsweg für die Garten- und Wengertbesitzer. Spaziergänger werden aber allgemein toleriert.

Es war wohl ein Zufall, dass im Jahre 1903 Pfarrer Richard Kallee (1854-1933) auf dem Lemberg (Bild 1), dem „geologischen Wahrzeichen Feuerbachs“ (K. Jeremias) auf prähistorische Funde stieß. Ein Zufall war es auch, dass Kallee ein ausgeprägtes archäologisches Interesse hatte, welches ihn veranlasste, die Wissenschaft auf die gefundenen Wälle aufmerksam zu machen, was 1904 zur kartografischen Aufnahme der westlichen Lemberg-Hochfläche (Bild 2) sowie im Jahre 1908 zu Grabungen führte, welche der Prähistoriker Peter Goessler (Königliches Landeskonservatorium) an den Wällen I und II (Bild 3) durchführte.
Die anfangs kursierende Annahme, dass es sich bei den „Erdwällen und Gräben quer über den Rücken des Lembergs“ um „Wolfskehlen“, also um Fangvorrichtungen für Wölfe handele, wurde durch die Grabungsergebnisse widerlegt, welche Goessler in seinem Bericht über „Die prähistorischen Befestigungen auf dem Lemberg bei Feuerbach“  in den „Fundberichten aus Schwaben“ 16 veröffentlicht hat.
Die drei Wälle befinden sich auf dem westlichen Abschnitt des Höhenrückens, nahe der Bergzungenspitze „Horn“. In einem Abstand von 120m östlich des Horns befindet sich Wall I mit einem westlich vorgelagerten Graben. Im Abstand von 200m und 600m östlich des Horns befinden sich die Wälle II und III mit nach Osten vorgelagerten Gräben, Wall III an der schmalsten Stelle der Hochfläche.
Goessler stellte anhand der Baumerkmale fest, dass die Wälle in zwei verschiedenen Perioden errichtet wurden: Wall I und III stammen aus der ersten, Wall II aus der zweiten Periode. An Wall I sind beide Perioden festgestellt worden.
Zusammen mit den Funden an den Wällen I und II wurde die Entstehungszeit ermittelt: Die Periode 1 liegt nach Goessler in der Hallstattzeit, d. h. etwa 1000 v. Chr.(mit Goesslers Zeitangabe jedoch noch in der sog. „Urnenfelderzeit“, 1300 bis 800 v.Chr.), und die Periode 2 in der La-Tène-Zeit, d.h. 5. - 1. Jahrhundert v. Chr.. Die genaue, von Goesslers Angaben abweichende Periodisierung der Eisenzeit ist weiter unten dargestellt.
 
Hinsichtlich der Nutzung dieses Areals kommt Goessler zu folgender Einschätzung: die in Periode 2 durchgeführte,  flüchtige, vermutlich in aller Eile durchgeführte Nacharbeit des in Periode 1 sorgfältig konstruierten Walles I entspricht der Qualität des Walles II (Bild 3), der „nachlässig gebaut, im Drang der Not für schnelle Verteidigung eingerichtet“ worden sei und  angeblich Siedlungsreste der Urnenfelderzeit (1300 bis 800 v. Chr.) überdeckt,  während in seiner Schüttung einige latènezeitliche Scherben gefunden wurden. Diese Umstände ließen den Schluss zu, dass es zwischen diesen Wällen I und II in der La-Tène-Zeit (kriegerische Epoche der vorrömischen Eisenzeit), ein Refugium, eine nicht für dauerhaften Aufenthalt geeignete Fliehburg gab. Dieses Gebiet mit einer Fläche von 70-80 a schützte die im Feuerbacher Tal siedelnden rätischen Kelten gegen die aggressiven Helvetier (keltischer Volksstamm).
Goessler kommt darüberhinaus zum Resultat, dass „auf dem Lemberg in der älteren Hallstattzeit (um 1000 v. Chr.) vorgeschichtliche Wohnungen gewesen sind.“ Sie schützten sich durch zwei Abschnittswälle, durch Wall I und III, die mit Sorgfalt errichtet worden waren; auf beiden Seiten stand ein starkes Plattengemäuer aus Stubensandstein, der 2,5m breite Zwischenraum wurde mit gestampfter Erde gefüllt. Oberlehrer und Historiker Kleemann kam zu dem Urteil, dass „die heute noch erkennbaren Erdwälle der späteren Bronzezeit (1800-800 v.Chr.) entstammen. Sie bildeten eine hochgelegene Wohn- und Fluchtstätte, 400:150 m im Geviert.“ Brandspuren lassen darauf schließen, dass diese Siedlung der frühen Hallstattleute (Bevölkerung in der Urnenfelderzeit) nach 1000 v.Chr. durch Feuer zerstört worden ist. Weder die Bewohner noch die Zerstörer sind bekannt. Es muss sich jedoch auf beiden Seiten um unterschiedliche keltische Stämme gehandelt haben.
Der hier betrachtete Zeitraum (800 bis 15 v.Chr.) gilt als die Periode der Eisenzeit, welche durch zwei archäologisch im 19.Jh. entdeckte Kulturen geprägt wurde: die sog. „Hallstattkultur“ (800 bis 450 v.Chr.) und die sog. „La-Tène-Kultur“ (450 bis 15 v.Chr.). Die in jener Eisenzeit auch in unserer Gegend siedelnde indogermanische Bevölkerung wird mit Kelten bezeichnet, deren Ursprung im Gebiet der Donau-Quellflüsse ermittelt wurde.
In der Historiografie wurden die Kelten erstmals im 5.Jh. v.Chr. vom griechischen Geschichtsschreiber Herodot erwähnt.

In unterschiedlichen Stämmen(nicht als Teil einer „keltischen Nation“) haben sich die Kelten, welche auch u.a. als Gallier und Galater bezeichnet werden, sowohl in den Nordwesten als auch in den Südosten Europas verbreitet. Sogar Rom wurde nach der Schlacht an der Allia im Jahre 387 v.Chr. eingenommen und niedergebrannt.
Die Kelten verlassen im Laufe des 1.Jh. v.Chr. ihre östlich des Rheins gelegenen Siedlungen. Nach 15 v.Ch. entsteht nach den römischen Eroberungen im Alpenvorland und Gallien die sog. gallo-römischen Kultur.

Eine spätere Nutzung der Wälle auf der Lemberg-Hochfläche, ist bisher nicht nachgewiesen, Mergelgruben und Wege haben zudem die Spuren der vorgeschichtlichen Befestigungsanlagen weitestgehend verwischt.

Von dem fundierten Goessler-Bericht ausgehend haben sich im Laufe des 20.Jahrhunderts weitere Fachleute mit diesen Ergebnissen beschäftigt, haben sie professionell oder mit Phantasie weiterentwickelt. Aber alle Beurteilungen der damaligen Nutzung des geschützten Areals auf dem Lemberg unterliegen der These des Philosophen Karl Propper, dass „alle menschliche Erkenntnis unter dem Vorbehalt stehe, sich als falsch erweisen zu können“.
Einig sind sich die Wissenschaftler in der Bestätigung jener zeitlichen Einordnung, wie sie Peter Goessler angegeben hatte.
Oswald Hesse detailliert die Angaben Goesslers, dass „um das Jahr 1000 v. Chr. sich hier Menschen zu längerem Aufenthalte einstellten und sich in Hütten, gebaut aus Trockenmauern und nach einer Art Fachwerkmanier,  wohnlich einrichteten.“
Kurt Jeremias geht noch weiter, indem er aufgrund der Knochenfunde auf „eine Art bäuerliche Siedlung“ schließt, in der „Ackerbauern in sozialer und politischer Ordnung“ gelebt hätten (Bild 4 zeigt seine phantasievolle, wissenschaftlich aber nicht abgesicherte Rekonstruktion). Die Quellen seiner Thesen blieben dabei unerwähnt.
Auch Gotthilf Kleemann schreibt in diesem Zusammenhang von einer „Wohn- und Fluchtstätte frühgeschichtlicher Siedlung“, welches „zweifelsfrei bewiesen wäre“. Zweifel an dieser Theorie äußert Karl Müller, welcher die Wasserversorgung auf einer Hochebene als besonderes Problem herausstellt, obwohl es jedoch viele prähistorische Höhensiedelungen gab, welche das Wasserproblem bewältigt hatten. Holger Baitinger schreibt dazu:„ Viele befestigte Höhensiedlungen sind bislang nur ganz unzureichend erforscht, wobei vor allem die besiedelte Innenfläche aufgrund Fundarmut und schlechter Befunderhaltung von den Archäologen oft gemieden wird. Damit ist die Frage nach kleineren Zisternen oder Wasserbehältnissen kaum zu klären. Im Mittelgebirgsraum gibt es vor allem in der Frühlatènezeit (5. Jh. v. Chr.) sog. Annexwälle, die an den Bergflanken Quellaustritte in das befestigte Areal mit einbeziehen.“
Ein Beispiel aus dem südfranzösischen Saint Blaise zeigt, dass keltische Siedlungen üblicherweise entfernt von Wasserheiligtümern errichtet wurden und das Trinkwasser in die Siedlung geholt werden musste.
Als Beispiel aus dem Mittelalter weist Eva Walter auf den Einsatz von Zisternen auf höher gelegenen Burgen „als weitaus häufigere Möglichkeit der Wasserversorgung“.

Karl Müller vertritt gegenüber anders lautenden Thesen auch die Auffassung, dass er die Knochenfunde nicht auf menschlichen Verzehr von Schaf und Rind zurückführt, sondern sie mit den damals vorhandenen gefräßigen Wölfen verbindet. Dem kann man jedoch entgegenhalten, dass Haustiere bei erkennbaren Wolfsgefahren nicht schutzlos auf einer Hochfläche, sondern in der Nähe menschlicher Behausungen gehalten werden; diese sahen die Wissenschaftler zwischen den Wällen I und III.
Holger Baitinger weist darauf hin, dass man am östlichen Wall  III später einen mit schrägen Kerben verzierten Spinnwirtel (Teil einer Handspindel)  im Durchmesser von. 2,6 cm fand.

Was ist nun heute im Jahre 2012 noch konkret von diesen Wällen zu erkennen?
Die Verortung der drei mit Sandstein und Erde befestigten Wälle ist heute in dem bewaldeten und mit Unterholz angereicherten Gebiet, aufgewühlt durch Mergelgruben und durch Wegebau partiell verändert, sehr schwierig. Alle drei in nord-südlicher Richtung angeordneten Wälle berühren den Feuerbacher Höhenweg direkt oder sehr nahe (Bild 2), sodass mit einiger Mühe die Wälle identifiziert werden können. Der westliche Wall I ist in sehr gutem Zustand und am leichtesten zu entdecken (Bild 5).

Quellen: Holger Baitinger, Kurt Bittel,  Peter Gössler, Oswald Hesse, Kurt Jeremias, Gotthilf Kleemann, Karl Müller, Stadt Stuttgart, dtv-Atlas Weltgeschichte, Wikipedia, Henkel-Forschung, Eva Walter