Thieme zum Anfassen

Ansturm auf Verlagshaus bei der „Langen Nacht der Museen“

Kunst zum Anfassen: Ein Mädchen erfühlt das „Nagelbild silber“ von Günther Uecker. Daneben das rote „Rauchbild“ von Otto Piene. Alle Fotos: feuerbach.de Bild 1 von 15: Kunst zum Anfassen: Ein Mädchen erfühlt das „Nagelbild silber“ von Günther Uecker. Daneben das rote „Rauchbild“ von Otto Piene. Alle Fotos: feuerbach.de

Nicht nur Mediziner kennen die blau-weißen Bücher bestens, auch für „Otto Normal“ veröffentlicht der in Feuerbach ansässige Georg-Thieme-Verlag informative Sachbücher und Ratgeber zu allerlei gesundheitlichen Themen. Dass der in ganz Deutschland bekannte Verlag aber auch eine sehr bedeutende Kunstsammlung beherbergt, wussten bisher nur wenige. Dies dürfte sich nun seit dem 09. April geändert haben.

Zum ersten Mal hat der Thieme-Verlag am vergangenen Samstag, den 09. April, zum Tag der offenen Tür, und vor Allem zur Stuttgarter „Langen Nacht der Museen“ seine Pforten einem breiten Publikum geöffnet. Dabei kamen Gäste zweier völlig unterschiedlicher Interessensgebiete voll auf ihre Kosten: Massen an medizinisch- sowie Kunstinteressierten  Besuchern überrannten  das Verlagsgebäude fast und verstopften die engen Flure regelrecht. Die Verlagsangestellten waren teilweise überfordert: „So einen Ansturm haben wir nicht erwartet“, so eine Verlagsangestellte, die kurzerhand zur Kunstführerin ernannt wurde und den Besuchern mehr über Beziehung und Umgang der Angestellten als über die Werke selbst erzählen konnte. So bekamen die Besucher mehr amüsante Anekdoten aus dem Alltag zu hören als trockene Kunsttheorie. Auch mal eine sympathische Abwechslung - schließlich kann man alles Wissenswerte heutzutage selber mit einem Mausklick schnell herausfinden.

Es wurde beispielsweise beschrieben, wie ein großes Bild mit grauen Flächen des Künstlers Ulrich Erben quasi von einer anderen Stelle in einen engen Flur „strafversetzt“ wurde, weil es den Angestellten und Mitarbeitern des Verlags beim Kafeemachen (es stand vor der Kaffeemaschine) nicht weiter den Tag „vergrauen“ sollte. Die Verlegerfamilie hat daraufhin eine offene Debatte angefangen, um dieses Thema im Einvernehmen mit der Belegschaft zu klären – woraufhin eine Verlegung des Bildes beschlossen wurde.

Erzählt wurde natürlich auch, wie die Sammlung zustande kam. So hat der Thieme-Verleger Günter Hauff in der Nachkriegszeit angefangen, Kunstwerke aus purer Liebhaberei  zu ersteigern, ohne jeden Hintergedanken oder dem Vorhaben, eine Sammlung aufzubauen. Dass er gerade zu dieser Zeit wohl nichts Besseres hat machen können, kann man u.a. an der Tatsache erkennen, dass die Sammlung Werke weltberühmter Künstler wie Otto Dix beinhaltet. Die Werke des kurz nach dem Krieg ausgehungerten und im Fast-Exil auf der Höri-Halbinsel am Bodensee nahe der Schweizer Grenze lebenden großen Deutschen Künstlers waren in dieser Zeit zu Spottpreisen erhältlich, teilweise sogar als Tauschware.

Viel Spaß beim virtuellen Rundgang durch die Kunstausstellung im Thieme-Verlag in unserer Galerie (siehe oben).

Veröffentlicht am 11.04.2011