Alltäglicher Stresstest

Wer schlecht zu Fuß ist, hat am Bahnhof Feuerbach seine liebe Not. Manches soll verbessert werden.

Der Feuerbacher Bahnhof. Foto: Baron2105 Bild 1 von 1: Der Feuerbacher Bahnhof. Foto: Baron2105

Der Feuerbacher Bahnhof ist ein stark frequentierter Verkehrsknoten. Etwa 20.000 Fahrgäste steigen an Wochentagen ein und aus, viele davon sind Pendler, die mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen.

Umso unverständlicher sei es, betont Stadtseniorenrätin Ilse Bächtle seit Jahren, dass ältere Bürger, die nicht mehr so gut zu Fuß seien, aber auch Mütter mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer regelmäßig einen Sturz oder vielleicht auch Schlimmeres riskieren müssen, wenn sie in die S-Bahn steigen oder sie verlassen wollen. Weil die S-Bahn in einer Kurve hält, klafft ein Lücke zwischen der Bahnsteigkante und dem Einstiegstritt der S-Bahn. Dazu kommt ein Höhenunterschied von zirka 30 Zentimeter zwischen S-Bahnsteig und S-Bahn-Einstieg. Wer dieses Hindernis geschafft hat, scheitert aber möglicherweise an den Treppen, die von den Gleisen hinab ins Bahnhofsgebäude führen. Aufzüge gibt es bisher keine.

Doch das soll sich nach Angaben der Bahn bis 2015 ändern. Zwei Aufzüge sind geplant, der eine zum Bahnsteig 1, der andere zum Bahnsteig 2. Sven Hantel, Leiter des Regionalbereichs Südwest der Deutschen Bahn Station und Service AG, stellte im Bezirksbeirat die Pläne vor. Die Bahn betont stets, dass die Aufzüge sowie die Veränderungen an den Treppen und Bahnsteigen erst mit Stuttgart 21 und den damit verbundenen Umbauten am Feuerbacher Bahnhof kommen werden.

Eine Prämisse, die viele der im Bürgerhaus Versammelten, so nicht nachvollziehen konnten: "Warum geht der Bau der Aufzüge nicht ohne S 21", sagte Herwig Janicek von den Naturfreunden. In Feuerbach warte man jetzt schon seit 20 Jahren auf den Aufzug. Hantel hielt dagegen, dass der Aufzug zum Mittelbahnsteig (Gleis 2) über S 21 finanziert sei. Im übrigen gehe er "felsenfest davon aus, dass Stuttgart 21 kommt". Um den Aufzug zum Gleis 2 an der richtigen Stelle platzieren zu können, müsse mit der Realisierung solange gewartet werden, bis die dortigen Umbaumaßnahmen im Zusammenhang mit S 21 erledigt seien, betonte Hantel. Er rechnet damit, dass der Aufzug ab Ende 2015 gebaut werden kann. Es gebe allerdings auch eine frühere Bauvariante fürs Jahr 2013: "Dann wäre aber eine der beiden Treppen am Bahnsteig 2 für mindestens zwei Jahre nicht nutzbar", sagte der DB-Regionalbereichsleiter Südwest. Eine Untersuchung soll klären, ob der zeitweilige Wegfall einer Treppe am Bahnsteig 2 auch zu den Stoßzeiten verkraftet werden kann: "Die realistischere Variante ist aber sicher diejenige, die bis 2015 realisierbar wäre", meinte Hantel.

Der zweite Aufzug soll im Empfangsgebäude gebaut werden. Dieser werde nicht aus S-21-Mitteln finanziert, sondern sei Teil des so genannten fünften Ausführungsvertrages. Im diesem wurde zwischen dem Land, der Stadt, den Landkreisen und der DB vereinbart, die S-Bahn-Stationen behindertengerecht zu gestalten. Die Finanzierung beider Aufzüge sei grundsätzlich gesichert, betonte Hantel. Anders sieht es bei den Umbaumaßnahmen an den Bahnsteigen aus. Es sei geplant, die vorderen Wagen der S-Bahnen mit ausschwenkbaren Fußrampen nachzurüsten, um so einen besseren Zugang zu ermöglichen. Zudem solle der Bahnsteig gegenüber den Gleisen von 76 auf 96 Zentimeter angehoben werden. Den Spalt zu beseitigen, sei allerdings nicht möglich, so Hantel. "Schauen sie sich die Gleisführung dort an, sie müssten die ganzen Gleise geradebiegen, dann wäre der Spalt weg, aber dann kommen sie nicht mehr in den Tunnel", sagte der Bahnexperte. Während die Sprecher mehrerer Fraktionen im Bezirksbeirat die Pläne ausdrücklich begrüßten, kamen aus dem Bürger-Plenum allerlei kritische Stimmen: Wer ein so gigantisches Projekt wie Stuttgart 21 plane, müsse doch als Bahn-Ingenieur oder Techniker mit diesem vergleichsweise kleinen Problem fertig werden, meinte eine Frau.

"Wo ist die Nutzerqualität der neuen Lösung?", fragte ein Bürger. Er und seine rheumakranke Frau würden jeden Tag den Stresstest am Feuerbacher Bahnhof erleben. Viele Fragen seien unbeantwortet geblieben, sagte Heinz Wienand vom Feuerbacher Schwabenstreich. "Wir kommen mit unserem Katalog an Fragen wieder. Darauf können sie sich verlassen."

 

Von Georg Friedel
Mit frdl. Genehmigung der Nord-Rundschau
Veröffentlicht am 01.08.2011