Mit diesem Schuljahr gibt es in Baden-Württemberg keine verbindliche Grundschulempfehlung mehr. Bisher bekamen alle Viertklässler nach dem Halbjahreszeugnis eine verbindliche Empfehlung ihrer Grundschule, welche weiterführende Schulform sie künftig besuchen sollten: die Hauptschule, die Realschule oder das Gymnasium.
Waren Eltern mit der Zuteilung nicht einverstanden, konnten
sie ihr Kind nochmals prüfen lassen oder zur Aufnahmeprüfung der Realschulen
oder Gymnasien anmelden. Ab 2012 dürfen sie nach einer ausführlichen Beratung mit den
Lehrern nun selbst entscheiden, auf welche Schule ihr Kind nach der vierten
Klasse gehen soll. Davon erhoffen sich viele ein Ende der staatlichen
Bevormundung, stattdessen Gespräche auf Augenhöhe.
Und nicht nur das, es soll auch der Notendruck weichen, die
Lernmotivation der Kinder wieder steigen. Der Benachteiligung von Kindern mit
Migrationshintergrund oder aus sozial schwachen Familien, die nicht ausreichend
gefördert werden oder sich Förderung besorgen können, soll damit ein Ende
gesetzt werden.
Denkt man allerdings ein bisschen weiter, könnte auch Folgendes passieren: Die einen sehen einen Run auf die Gymnasien, die anderen auf die Realschulen, auf jeden Fall wird es viele Schulen geben, die sich plötzlich mit mehr Schülern konfrontiert sehen, als sie aufnehmen können. Und schon ist es mit der freien Wahl vorbei, denn dann sind es die weiterführenden Schulen, die Aufnahmekriterien zugrunde legen müssen.
Im Bundesland Berlin war das bis vor kurzem noch einfach der
Wohnort. Schließlich fanden die meisten Leute es aber äußerst albern, dass die
Aufnahme an einer Schule von der Anzahl der Busstationen zwischen Zuhause und
Schule abhing. Nun gelten ganz offizielle Auswahlverfahren, wie der
Grundschulnotendurchschnitt, Zusatzkompetenzen der Schüler und Aufnahmetests in
beliebiger Kombination. Manche Schulen vergeben 30% ihrer Plätze per
Losverfahren. Und schon hängt doch wieder alles von den Noten ab.
Abgeschafft wird also keinesfalls der Leistungsstress, es wird lediglich der Schwarze
Peter der Entscheidungsfindung weitergereicht.
Natürlich kann es ein Vorteil sein, wenn diese nicht mehr
von einer lange bekannten und eventuell vorurteilsbehafteten Person abhängt,
andererseits kann es auch ein Nachteil sein, wenn man es stattdessen mit einer
völlig unbekannten und daher auch nicht persönlich involvierten Person zu tun
hat.
Denken Sie in Zukunft also daran, Ihr Kind von klein an möglichst viele außerschulische Aktivitäten mitmachen zu lassen und es bei vielen gemeinnützigen Organisationen anzumelden, damit es sich früh die erforderlichen Zusatzkompetenzen erwerben kann. Vielleicht wird es einmal schwer, trotz eines Notendurchschnitts von 2,0 noch ohne Fähnlein-Fieselschweif-Zertifikat oder eine Teilnahmebescheinigung der Kinder-Uni an die weiterführende Wunschschule zu kommen.