Feuerbach - Ich mache es für die Leut’, die vorbeilaufen“, sagt Christel Henne. „Hier ist ja sonst nicht so viel Buntes.“ Die Feuerbacherin hat ihren Balkon mit üppig blühenden rosa und weißen Hängegeranien bepflanzt. Wenn Passanten stehen bleiben und die Blumen bewundern, blüht auch Christel Henne auf.
Beim Blumenschmuck-Wettbewerb „Natürlich Stuttgart“ hat sie schon einige Male mitgemacht. Die Jury, die sich aus Experten des Garten-, Friedhofs- und Forstamts (GFF), des Württembergischen Gärtnereiverbands sowie der Obst- und Gartenbauvereine zusammensetzt, ist sehr zufrieden mit Christel Hennes Balkonpflanzen: Die Wettbewerbsteilnehmerin bekommt die Note eins.
Den Wettstreit um die schönsten Blumenoasen inmitten von urbaner Beton-Tristesse gibt es in Stuttgart bereits seit 1905. Damals wurde er vom Verschönerungsverein Stuttgart ausgerufen. Ziel des Wettbewerbs ist es, die Menschen zum Pflanzen zu animieren. „Wir wollen fördern, dass Hausbesitzer etwas zur Verschönerung der Stadt beitragen“, sagt Walter Schoeffel von den Obst- und Gartenbauvereinen Stuttgart. Besonderen Wert legen die Jurymitglieder daher darauf, dass der Blumenschmuck von der Straße aus gut zu sehen ist, damit möglichst viele Menschen in den Genuss der Blütenpracht kommen.
Immer weniger Teilnehmer
Mit Sonder-, ersten und zweiten Preisen oder einer lobenden
Anerkennung werden die Hobbygärtner ausgezeichnet. Eine Urkunde
sowie eine Belohnung für die Mühen in Form von Topfpflanzen oder
Gartenwerkzeugen wird wie in den Vorjahren von Oberbürgermeister
Wolfgang Schuster bei einer Feier im Oktober überreicht. Zeitweise
haben bis zu 700 Stuttgarter an dem Wettbewerb teilgenommen; in
diesem Jahr sind jedoch nur noch rund 430 Anmeldungen eingegangen –
mit rund 90 kamen die meisten aus Feuerbach. „Mein Eindruck ist,
dass es nicht weniger Blumen in der Stadt gibt. Aber vor allem junge
Leute machen das Pflanzen eher für sich und melden sich seltener
an“, sagt Eberhard Schnaufer vom GFF. Jürgen Gerdes vom
Württembergischen Gärtnereiverband hat hingegen den Eindruck, dass
sich junge Familien tatsächlich weniger um das Bepflanzen von Balkon
und Terrasse kümmern. „Die sind so viel unterwegs, und Blumen
machen viel Arbeit“, sagt der Gärtner.
Er hat jedoch einen guten Tipp, wie Pflanzen auch während des Urlaubs gut versorgt werden können: mit einer automatischen Bewässerung. „Da kann man sogar Dünger rein machen. Und das ganze läuft ohne Strom oder Batterie, nur mit Unterdruck“, erklärt Gerdes. Eberhard Schnaufer schwört hingegen auf den alten Trick, eine Schnur vom Blumentopf in einen Eimer mit Wasser zu legen. Zumindest ein Wochenende könne so überbrückt werden. „Am schönsten ist es aber immer noch, wenn man sich unter Nachbarn aushilft“, ist er überzeugt.
„Da gehört mehr Dünger hin“
Um alle angemeldeten Balkone, Terrassen und Gärten bewerten zu
können, fahren die Jurymitglieder sechs Tage lange durch die
Stadtbezirke. So manchen Gartenzaun müssen die Juroren überwinden,
um mit prüfendem Blick feststellen zu können, mit wie viel Liebe
und Aufwand die Pflanzen versorgt werden. „Hier wurde gut
angefangen, aber jetzt schauen die Blumen hungrig aus. Da gehört
mehr Dünger hin“, sagt Gerdes vor einem Haus an der
Feuerbacher-Tal-Straße. Walter Schoeffels Kommentar zu einer
bepflanzten Garageneinfahrt an der Grazer Straße lautet: „Schön,
dass hier was gemacht ist, sonst wäre es sehr trist.“ Eberhard
Schnaufer hat es vor allem der Garten von Erika Riesle an der
Langhansstraße angetan. Dort blühen Dahlien, Fuchsien,
schwarzäugige Susannen und Cassia um die Wette. „Das ist alles
sehr durchdacht angelegt. Hier wurde nicht alles zugepflanzt, dadurch
wirkt der Garten größer“, lobt er und notiert: Sonderpreis.
Von Leonie Hemminger
Mit frdl. Genehmigung der Nord-Rundschau