Neues „Kunstbiotop“

Erstmals hat sich auch das Feuerbacher Schick-Areal an der langen Nacht der Museen beteiligt

Alle Fotos: S. Müller-Baji Bild 1 von 6: Alle Fotos: S. Müller-Baji

Coole Reggae-Klänge, Leuchtfeuer als Wegweiser: Auf dem Feuerbacher Schick-Areal ist die lange Nacht der Museen die erste große Veranstaltung nach dem Bezug der Ateliers.

Entsprechend machen die Künstler am Samstag die Nacht zum Tage und so mancher Gast reibt sich erstaunt die Augen, welch’ Kunstbiotop hier binnen weniger Monate aus dem Boden geschossen ist.

So gibt es bei Uschi Lux Kokons aus Papier und Drahtgeflecht sowie gepanzerte Samurais. An den Containern der angrenzenden Recycling-Firma “tanzten” die Fotografien von Michael Salvermoser-Sinclair. Kurt App setzt sich in seiner Ton- und Video-Installation konkret mit der Arbeitsatmosphäre auf dem  Schick-Areal auseinander und Almut Glinin ruft durch mit Silberschichten und einer einfachen Camera Obscura fotophysikalische Vorgänge in Erinnerung. Später würde Christiane Maruschka Hasselmeier auf dem Flügel überdies die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach darbieten.

Bei Wolfgang Seitz in der “Kunsthalle Feuerbach” betrachten sich Menschen in Zerrspiegeln, als Video-Endlosschleife. Mit seinem Kunst-Ort “Eigen.Art” war er jahrelang eine Institution in der Nordbahnhofstraße. Als er ihn aufgeben musste, hatte er nicht geglaubt, “dass ich jemals wieder so etwas Tolles finden würde”. Jetzt aber will er vom Schick-Areal nicht mehr weg, wie er erzählt: “Das ist eine tolle Mischung hier –  dazu der Raum, die Weite! Und Feuerbach hat eine wunderbare Urbanität – ich bin angekommen!”

Dagmar Feuerstein erklärt ihren Gästen eben, wie ihre Plastiken entstehen: Die Figuren vom Foto oder aus dem Gedächtnis in Ton modellieren, Gussform herstellen, Betonguss härten lassen und versäubern. Auch sie ist begeistert, von den Möglichkeiten des Schick-Areals und von der langen Nacht der Museen: Diese hat gerade erst ihren Anfang genommen und schon strömen die Besucher durch die Ateliers: “Hätte ich nie gedacht, dass so viele hier heraus kommen, wir liegen ja doch ein wenig ab vom Schuss!”

Ganz im Gegenteil: An dieser Museumsnacht beteiligten sich sogar so viele Kulturbetriebe im Stuttgarter Norden wie nie – neben dem Schick-Areal, das Porsche-Museum, das Theodor-Heuss-Haus sowie Schloss Solitude, die Akademie Schloss Solitude und das Graevenitz-Museum. Die Gäste Andrea und Jürgen Hiller haben sich ganz gezielt für einen Besuch des Schick-Areals entschieden: “Die Erfahrung hat gezeigt: Man schafft nie soviel wie man möchte. Also haben wir herausgepickt, was zum ersten Mal stattfindet” sagt Jürgen Hiller. Später soll es “in Richtung Weißenhof gehen und vielleicht noch an die Wagenhallen”.

Besonders spannend ist es auf dem Schick-Areal, wo die Gäste selbst ans Werk gehen dürfen – etwa im Atelier Neonow Stofftaschen im Siebdruckverfahren gestalten. Im Atelier Pinkschwarz gilt dagegen: Krass ausgeleuchtet Grimassen bis zum Abwinken scheiden. “Ich will, dass die Lippen weiß werden, die Stirn sich furcht und die Augen tränen, sagt Fotograf Mirko Frank gerade. Was macht er da eigentlich? “Normalerweise fotografieren wir alles schön, jetzt machen wir mal das Gegenteil”, lacht er. Eine Zeitraffer-Aufnahme verrät dazu erhellend, mit welchen Tricks eine Autoaufnahme für die Werbung aufgehübscht wird. Was hat Frank mit den Fotos seiner Gäste vor? Daraus soll zur nächsten langen Museumsnacht eine Horror-Wandelhalle werden.

Denn im Grunde steht für die Künstler schon fest, dass sie im nächsten Jahr wieder dabei sein wollen. Vielleicht machen dann weitere Kollegen mit: Immerhin seien bereits alle rund 30 Atelierplätze auf dem Areal belegt, wie Wolfgang Seitz zuvor berichtet hat: “Urbaner Arbeitsraum für Künstler ist äußerst begehrt”. Wenn das mal kein Ansporn für ähnliche Projekte ist...


Von Susanne Müller-Baji
Veröffentlicht am 19.03.2014