„Auf der Bühne ist alles ein bisschen bunter als im normalen Leben“

Hand in Hand lassen die Mitarbeiter des Friedrichsbau-Varietés auf der Prag eine perfekte Illusion entstehen

Artistin Emma Phillips bei der Probe. Fotos: S. Müller-Baji Bild 1 von 7: Artistin Emma Phillips bei der Probe. Fotos: S. Müller-Baji

Zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn im Friedrichbau-Varieté. Der Zuschauerbereich liegt noch im Dornröschenschlaf, auf der Bühne tobt dagegen das Leben: Mehrere Artisten feilen gleichzeitig an ihren Auftritten.

Tosca Rivola aus Tschechien probt am “Cyr Wheel”, der ein wenig wie ein sehr massiver Hula-Hoop-Reifen wirkt. Auch Emma Phillips aus Neuseeland bereitet sich vor: Sie ist “Antiposistin”, jongliert auf dem Rücken liegend mit den Füßen. Zuvor war sie drei Jahre lang in China, erzählt sie, von dort hat sie auch ihre neueste Nummer mitgebracht, die Jonglage mit Papierschirmen. Später wird sie perfekt im Stil der Zwanziger Jahre gestylt auf die Bühne treten, doch noch trägt sie zivil.

Inspizient Marcel Fink sorgt dafür, dass die Abläufe stimmen und alle Artisten pünktlich zur Stelle sind. Jetzt, vor der Vorstellung, ist er praktisch überall gleichzeitig, gerade überprüft er das Trapez. Die aktuelle Show “Rosevue” läuft seit November, die Abläufe sind gut eingespielt, erzählt er. Zum Varieté sei er durch ein Praktikum gekommen; er jongliert selbst und liebt den Austausch mit den Artisten. Inspizient ist er im Nebenberuf, tagsüber studiert er auf Lehramt. Wird er sich danach für die Lehrer-Laufbahn entscheiden und die schillernde Show-Welt aufgeben? “Das Referendariat mache ich auf jeden Fall, und dann: Mal sehen!”

Falls etwas repariert werden muss, ist Bühnenbildner Werner Fritzsche zur Stelle. “Ich habe hier auch die Hausmeisterfunktion.” In einem vergleichsweise kleinen Varieté müssen die Mitarbeiter Allrounder sein, sagt der Technische Leiter Torsten Schulz, bei dem die Fäden der Produktion zusammenlaufen. Die Geschäftsführerin habe sogar eigens  zu häkeln begonnen, setzt er grinsend hinzu: Was er damit meint, zeigt sich später in der Show, als die Clownin Rosemie das Mikrofon mit einem unsäglichen, gehäkelten Schoner versieht und die anderen Artisten mit sichtlich Selbstgemachtem ausstattet. 

Obwohl Fritzsche bereit steht, um etwaige Probleme sofort zu beheben, ist das für ihn im Grunde noch die Ruhe vor dem Sturm: Bald beginnen die Vorarbeiten für die nächste Eigenproduktion, für die Zaubershow “100 % Magic”, und er muss das Bühnenbild noch vor der Probenwoche umsetzen. So ist das immer: “Nach der letzten Vorstellung am Samstagabend geht es meist noch in der selben Nacht los”, erklärt Schulz: Bis zur Premiere am Freitag darauf muss die Show stehen. Das bedeutet sehr lange Arbeitstage: “Manchmal bleiben wir auch gleich da und gehen gar nicht mehr heim”.

Für die Premiere fehle ihm danach meist die Energie, sagt Fritzsche. Aber später schaue er sich die Vorstellung auch selbst an. Manchmal staune er dann, über die Wirkung des Bühnenbildes: “Auf der Bühne ist alles schöner als im wirklichen Leben.” Außerdem ist technische Finesse gefragt, so muss etwa die Ausstattung für die Vorstellungen, die parallel zur Eigenproduktion laufen, müssen leicht auf- und abzubauen sein: Und davon gibt es einige: Das Programm “Varieté zum Tee”, das sich be-sonders bei den älteren Gästen großer Beliebtheit erfreut, dazu das Kinderprogramm und die Gastvorstellungen wechselnder Künstler. 

Einlassbeginn. Zeit, den Bühnenvorhang zu schließen. Unbemerkt von den Gästen wird dahinter aber unvermindert weitergeprobt und gewerkelt. Hoch über dem Zuschauerraum laufen die Licht- und Soundchecks: Toningenieur Ferry Fliegner ist Herr über alles, was tönt und spricht; einige Schritte weiter setzt Sam Baisch, Beleuchter zur Aushilfe, die Szene ins rechte Licht. Eigentlich ist alles bereits eingerichtet und programmiert, erläutert Fliegner, die Männer an den Pulten geben die Einsätze und kontrollieren, dass alles reibungslos abläuft. “Falls trotzdem was schief läuft, ist es wichtig, dass die Zuschauer möglichst wenig, am besten aber nichts merken”. 

Hand in Hand entsteht so die perfekte Illusion, als sich der Vorhang hebt. Bühnennebel, spektakuläre Lichteffekte, die Körperbeherrschung der Akrobaten. Dazwischen wuselt die Clownin Rosemie im braven Faltenrrock, doch das Äußere täuscht: Im Laufe der tollen Revue-Show färbt das Artistenleben gewaltig auf das augenscheinlich so biedere Fräulein ab. Bis sich die innere Rampensau in hinreißenden Darbietungen Bahn bricht.

Noch bis 6. Februar kommt die Revue-Show auf die Bühne. Dann gehen die Proben zum Zauberprogramm “100 % Magic” in die heiße Phase, am 12. Februar ist Premiere. Die Artisten der “Rosevue” ziehen dann weiter – zu neuen Anstellungen, in andere Länder. Emma Phillips, die Artistin mit dem Faible für die goldenen Zwanziger, wird erst mal nach Berlin gehen, verrät sie – Geschichte gucken, “davon haben wir nicht so viel in Neuseeland”. Und dann? Sie lächelt: “We’ll see”, “wir werden sehen”. 


Info: Das Programm und Wissenswertes gibt es auf www.friedrichsbau.de

Von Susanne Müller-Baji
Veröffentlicht am 01.02.2016