Schmutz als Pigment

Stuttgarter Künstler macht aus Feinstaub Kunst

Feinstaub-Bilder von Erik Sturm. Fotos: eriksturm.eu Bild 1 von 1: Feinstaub-Bilder von Erik Sturm. Fotos: eriksturm.eu

Die Meldungen über den Stuttgarter Feinstaubalarm dominieren seit Wochen die Schlagzeilen, auch bei uns. Um so erstaunter waren wir, als wir über einen Künstler stolperten, der aus dem „Stoff des Übels“ Kunst macht.

100.000 Autos täglich liefern ihm sein Malmittel, er nennt es „Neckartorschwarz“. Erik Sturm schafft schönes aus dem, was man ansonsten verabscheut: Stuttgarter Feinstaub. Jeder Feinstaubalarm hat an der Stuttgarter Neckartorkreuzung in der Willy-Brandt-Straße sein Epizentrum, die Kreuzung ist mittlerweile sogar als schmutzigste Straßenkreuzung Deutschlands oder gar Europas bundesweit zur Berühmtheit geworden. Die Masse an Autos, dazu die Stuttgart-21-Bauarbeiten und obendrauf sowieso die Talkessellage der Stadt sorgen hier für die höchste Feinstaubkonzentration in Deutschland.

Wohl eher nicht im Bastelshop erhältlich - Feinstaubfarbe von Erik Sturm.Der Mensch wäre aber nicht Mensch, wenn er auch Unheilvollem nicht auch etwas künstlerisches abgewinnen könnte. Aus Müll Kunst zu machen, ist nicht neu, das macht Erik Sturm zwar auch, aber aus Feinstaub Malfarbe ist schon etwas wirklich neues. Sturm braucht den Staub hier nur von den Fensterbänken zu kehren, schon hat er seinen Rohstoff, macht daraus Malfarbe, bemalt damit Leinwände - und lässt sie trocknen. Stets mit Mundschutz versteht sich. Die Farbe zieht sich beim Trocknen wieder zusammen und härtet aus, sie reisst schließlich auf, ähnlich wie erodierter Steppenboden, und schafft so interessante Strukturen, völlig ohne Zutun des Künstlers und ohne dass er sich über irgend ein Motiv Gedanken machen muss. Ob diese Kunstwerke giftig oder schädlich sind, ist ein anderes Thema, die Stoffe sind ja eigentlich gebunden und sollten ja nicht entweichen - eigentlich…

Interessant wird’s auch, wenn man sich den Feinstaub unter dem Mikroskop anschaut. Sturm hat das gemacht und entdeckt, dass dieser Stoff gar nicht so schwarz ist wie er scheint. Es ist vielmehr eine bunte Vielfalt, die ein bisschen an Plankton oder Humus erinnert. Da tummeln sich Plastikteilchen, Salze, Glas, organische Teilchen, die wie Tierchen aussehen und mehr. Zugegeben, so genau will man da dann doch nicht hinschauen… allerdings sind die Kunstwerke, die Erik Sturm daraus herstellt, allemal ein Hingucker.


Hier geht’s zum Video-Bericht über den Künstler auf tagesschau.de und hier zur Homepage des Künstlers.


Veröffentlicht am 24.03.2016