„Gesundheit im Zelt“ trotzt Regen und Sturmböen

Rege Diskussion zum Thema „Auswirkungen der Pflegereform“ in der Alten Apotheke in Feuerbach

Die Zuhörerschaft im Zelt im Innenhof der Alten Apotheke. Fotos: Privat Bild 1 von 3: Die Zuhörerschaft im Zelt im Innenhof der Alten Apotheke. Fotos: Privat

Bereits zum vierten Mal lud die Alte Apotheke in Stuttgart-Feuerbach Experten aus dem Gesundheitswesen zur Podiumsdiskussion in ihrer Reihe „Gesundheit im Zelt“ in ihren Innenhof in der Stuttgarter Straße ein.

Trotz vorhergesagtem Regen und Sturmböen kamen viele Zuhörer, denn das diesjährige Thema „Auswirkungen der Pflegereform: Bessere Leistungen für Betroffene und ihre Angehörigen?“ ist aufgrund unserer demographischen Entwicklung mit mehr als 2,7 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland aktueller denn je und geht einfach alle an.

„Täglich erfahren meine Mitarbeiter und ich, wie belastend und schwierig sich das Versorgen pflegebedürftiger Eltern, schwer erkrankter Ehepartner, aber auch von Kindern gestaltet. In unserer Gesellschaft bereiten sich nur wenige auf eine solche Situation gedanklich vor. Um so schmerzhafter ist die Erfahrung, wenn diese plötzlich den Rollentausch erzwingt“, so Dr. Petra Steinbeck bei der Begrüßung und Einführung in das Thema. 
Auch die stellvertretende Bezirksvorsteherin von Feuerbach Susanne Ramp begrüßte die Teilnehmer herzlich, unterstrich die Bedeutung der Pflegereform und wies auf den Bürgerservice „Leben im Alter“ im Feuerbacher Rathaus als wichtige Anlaufstelle  hin. Sie dankte Dr. Steinbeck, dass sie sich in diesem Rahmen des so wichtigen Themas annimmt. Seit Norbert Blüm, Gesundheitsminister a. D., die Pflegeversicherung durchgesetzt hat, ist das Thema Pflege kein Tabuthema mehr, mit dem die Angehörigen allein gelassen werden. Viele Verbesserungen der letzten Jahre, insbesondere auch die gesetzliche Einflussnahme auf die Arbeitgeber, haben Erleichterungen gebracht. Dennoch blieben vielfältige Belastungen der Betroffenen, sowohl des Pflegenden als auch der zu pflegenden Person, bestehen. Gerade dieser Problematik nimmt sich das Zweite Pflegestärkungsgesetz an, das zum 01. Januar 2016 in Kraft getreten ist. Das Jahr 2016 dient nun der Vorbereitung des neuen Begutachtungsverfahrens in der Praxis, der Umstellung von den bisherigen drei Pflegestufen auf die fünf neuen Pflegegrade sowie den neuen Leistungsbeträgen, die zum 01. Januar 2017 wirksam werden. 

Dieses Zweite Pflegestärkungsgesetz setzt den lange vorbereiteten neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff um. Damit erhalten erstmals alle Pflegedürftigen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung, unabhängig davon, ob sie von körperlichen oder psychischen Einschränkungen betroffen sind.

Unterschiedlichste Experten aus dem Gesundheitswesen saßen auf dem Podium der Alten Apotheke und gaben ihre Statements zum Thema zum Besten: Karin Svete, gerichtlich zugelassene Rentenberaterin im Teilgebiet der Pflegeversicherung und Gründerin von Sans Souci, macht die Ansprüche von Pflegebedürftigen im Bereich der Pflegeversicherung geltend und kennt sich auch bereits bestens mit den neuen Regelungen aus. Ihr Ziel ist es, die Pflegebedürftigen sowie deren Angehörige darin zu unterstützen, dass sie ohne Sorgen, d.h., finanziell abgesichert, ihrem täglichen Leben nachgehen können. Christian Kratzke, Geschäftsführer der AOK-Bezirksdirektion Stuttgart-Böblingen, sieht die Reform positiv und betont „dass unser Sozialversicherungssystem einzigartig in der Welt ist und niemand, der bereits einer Pflegestufe zugeordnet ist, zukünftig schlechter gestellt wird. Im Gegenteil könnten bundesweit bis zu 500 000 Menschen zusätzlich anspruchsberechtigt werden.“  Ab September werden alle Versicherten angeschrieben, die heute schon mit der Pflegeversicherung im Kontakt stehen, und informiert; bis Anfang Dezember 2016 sollen deren Bescheide umgestellt sein. Außerdem schaltet die AOK eine Hotline.

Karin Maag MdB, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags, informierte die Zuhörer, „dass es bei dem neuen Gesetz auch darum gehe, dass Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen, d.h., die an Demenz und Alzheimer leiden, besser berücksichtigt werden als dies in der Vergangenheit der Fall war.“ Bisher zahlt die Pflegeversicherung vor allem bei körperlichen Einschränkungen, wenn man bspw. nicht mehr einkaufen, sich waschen oder den Haushalt allein führen kann. Neben dem Pflegenden selbst erhalten jetzt auch pflegende Angehörige einen Anspruch auf Pflegeberatung. 

Jan-Ole Meyer, Hausdirektor der Evangelischen Heimstiftung, Haus im Schlößlegarten in Hochdorf-Eberdingen und Haus am Schlößlesbrunnen in Sersheim, ist wichtiges Bindeglied zwischen Pflegebedürftigen, Angehörigen sowie den Mitarbeitern und muss letztendlich die Reform umsetzen. Er erhofft sich durch das neue Gesetz eine gewisse Vereinfachung der Pflege für seine Mitarbeiter, da dieses nicht mehr die allumfassende, zeitaufwändige Dokumentation fordert, sondern man von einem Status quo ausgeht und zukünftig nur noch die Abweichungen davon festhalten muss.

Die zahlreichen Zuhörern verfolgten interessiert die Aussagen und konnten im Anschluss noch selbst Fragen an die Fachleute stellen, wovon sie rege Gebrauch machten. Die Podiumsgäste waren von dem produktiven und fairen Austausch untereinander sehr angetan und bemerkten, dass sich Gesundheit im Zelt zu einer immer gefragteren Plattform entwickelt, um Dinge ungefiltert anzusprechen und voneinander zu lernen. Daher waren die Podiumsteilnehmer und die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer nach der diesjährigen Veranstaltung wieder einhellig der Meinung, dass dieser Nachmittag zur besseren Kommunikation im Gesundheitswesen beigetragen hat und auch im nächsten Jahr wieder stattfinden soll – dann bereits schon zum fünften Male. Ideen und Themen für dieses kleine Jubiläum werden gerne entgegen genommen. 

Die Veranstaltung wurde in diesem Jahr wieder vom Harmonika-Orchester Stuttgart-Feuerbach umrahmt und auch das leibliche Wohl kam mit Getränken und kleinen Snacks vom Behindertenzentrum  Feuerbach nicht zu kurz.
Alte Apotheke

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Veröffentlicht am 27.06.2016