Erleichtertes Aufatmen inklusive

Rolf Zielfleisch vom Verein Schutzbauten Stuttgart führt durch den Feuerbacher Tiefbunker

Mit Fachmann Rolf Zielfleisch geht es am kommenden Wochenende durch die Feuerbacher Unterwelt. Fotos: S. Müller-Baji Bild 1 von 8: Mit Fachmann Rolf Zielfleisch geht es am kommenden Wochenende durch die Feuerbacher Unterwelt. Fotos: S. Müller-Baji

Kriegsdrohungen werden dieser Tage erschreckend leicht ausgesprochen. Fast schon 'heilsam' ist da, sich mal wieder vor Augen zu führen, was Krieg eigentlich bedeutet.

Rolf Zielfleisch, Vorsitzender des Vereins Schutzbauten Stuttgart e. V., führte uns durch den Feuerbacher Tiefbunker - erleichtertes Aufatmen bei der Rückkehr ans Tageslicht inklusive. 

Heute ist der Besuch ein Abenteuer, für denjenigen, der damals die Treppe am Bahnhofsvorplatz hinunterstieg, ging es freilich ums Überleben. Und die Kapazität des Tiefbunkers war im Zweiten Weltkrieg auf 2500 und während des Kalten Kriegs auf 1172 Schutzsuchende begrenzt. Ordner zählten an der so genannten “Dosierschleuse” mit und hatten schwere Entscheidungen zu treffen: Wer musste draußen bleiben und kam eventuell nirgendwo sonst mehr unter? Denn der nahe gelegene Spitzbunker war Bahneigentum und stand nicht der Allgemeinheit offen. Rolf Zielfleisch berichtet, dass die Ordner anonym bleiben mussten, um später nicht Ziel von Vergeltung zu werden.

Wer es hinein schaffte, auf den wartete drangvolle Enge. Für einen Großteil der Schutzsuchenden war auf den 1.890 m² nur sitzend Platz. Geschlafen wurde in Schichten auf 400 Pritschen. Auf wenige Tage war so ein Aufenthalt ausgelegt, Privatsphäre war da nicht vorgesehen: Die wenigen Toiletten und Duschen waren nur durch Vorhänge abgetrennt, dazu kam eine Stelle zur Ausgabe von dringend benötigten Toilettenartikeln, aber keine medizinische Versorgung. Für den äußersten Notfall lagen Leichensäcke bereit. Willkommen im Krieg.

1971 bis 1974 wurde der Schutzbau noch einmal auf den neuesten Stand gebracht; das Ende des kalten Krieges leitete auch das Ende der Schutzbauten ein: Auch die Bunker, die Robert Zielfleisch und seine Mitstreiter betreuen, hätten längst geräumt werden sollen. Der Verein setzt sich dafür ein, dass sie unter Denkmalschutz gestellt werden und als Mahnmal und Gedenkort für den Kalten Krieg und die deutsch-deutsche Teilung dienen. Zweimal drehte hier auch schon das Team von “Soko Stuttgart”.  

Nachgefragt: Die Bunker wurden aufgegeben, die Sirenen an den öffentlichen Gebäuden abmontiert. Aber vor einigen Monaten forderte die Regierung die Bürger auf, für den Notfall Lebensmittelvorräte für zehn Tage anzulegen. Abgesehen davon, dass das bei vielen der Wohnraum nicht zulässt, drängt sich der Verdacht auf, dass die Krisenversorgung privatisiert werden soll. Rolf Zielfleisch erklärt, dass Angriffe im Kriegsfall heute nicht mehr vorhersehbar seien und die Bunker an Schutzwirkung verloren hätten: “Aber, ja, so ein richtiges Konzept für den Notfall scheint es nicht mehr zu geben”

Auch wenn der Tiefbunker nie für einen längeren Aufenthalt konzipiert wurde, gab es übrigens Langzeitbewohner: So wohnten hier noch bis 1957 Heimatvertriebene; von ihren Lebensbedingungen erzählt die Ausstellung ebenfalls. Danach habe Bosch dort italienische “Gastarbeiter” untergebracht. Bis 1960 währte das “Provisorium”, erzählt Zielfleisch. Dann beschwerten sich die Betroffenen beim italienischen Konsul, der der menschenunwürdigen Situation ein Ende bereitete. 

Egal, wie kurz oder lang der Aufenthalt “untertage” ist: Wer danach wieder ans Feuerbacher Tageslicht zurückkehrt, atmet meist erstmal erleichtert auf, hat Zielfleisch beobachtet. Und das ist in Zeiten der Kriegsrhetorik vielleicht wertvoller als alles andere.


Weitere Termine und Wissenswertes gibt es auf www.schutzbauten-stuttgart.de.

Veröffentlicht am 23.08.2017