Eine Gruppe schart sich in Erwartung der “Feuerbacher Geschichten” bereits um Annette Schmidt und Jutta Sailer-Paysan. Vom Wilhelm-Geiger-Platz hinüber zum nächtlichen Festplatz führt der erste der vier Kurzrundgänge des Abends, “Maikäfer, Schneiderkannen und Eiffelturmlack”.
Darin geht es um feuerverzinkte Gießkannen – einmal das Nonplusultra für Hobbygärtner – und um den Unterlack des Pariser Eiffelturms, der eine Zeit lang ebenfalls “Made in Feuerbach” war. Wo aber verbirgt sich der Maikäfer in dieser subpolaren Märznacht? “Maikäfer” war der Spitzname eines Automobils für alle, das die Ludwigsburger Firma Standard in Feuerbach bis zur Serienreife entwickelt hatte. Doch dann musste der jüdische Konstrukteur vor den Nazis fliehen und Ferdinand Porsche entwickelte oben auf dem Killesberg den “Käfer”.
Ebenfalls groß ist der Andrang am Polizeimuseum auf der Prag. In mehreren Räumen geht es hier auch um den Deutschen Herbst, die RAF und die JVA Stammheim. Im Vergleich ist es hier, vor den Fahndungsplakaten und den Originalexponaten, erstaunlich ruhig, viele lesen konzentriert. Wie war das damals, als ein ansonsten so ruhiger Stadtbezirk im Stuttgarter Norden mit einem Mal weltweit ins Zentrum des Interesses rückte? Klaus Hübl engagiert sich in seiner Freizeit im Polizeimuseum, während des Prozesses 1977 war der Polizist vor Ort im Einsatz. Er erinnert sich: “Es gab schon eine Diskrepanz: Die Medien vermittelten das Bild, dass die RAF keine Anhänger hätte, tatsächlich gab es aber etliche davon.” Wie war die Stimmung nach den Selbstmorden – Wut? “Eher so eine Art polizeiliche Hektik: Was passiert als Nächstes?”
Die nachdenkliche Stimmung trägt einen wieder nach Feuerbach hinunter: Auf dem Schick-Areal, derzeit die wohl kreativste Feuerbacher Spielwiese, gibt man sich betont entspannt: Bei Künstlerin Susanna Messerschmitt tragen selbst Kinderschaukeln Tentakeln, bei Uschi Lux haben sich Papier und Draht zu Lichtobjekten mit Fangarmen zusammengerottet. Die Formationen “erika51” und “Lefta” sorgen für coole Beats. Dagmar Feuerstein gießt in ihrem Atelier normalerweise Beton zu lyrischen Figuren, aber an diesem Abend ist sie erschüttert bis ins Mark: “Wo ist Herman de Vries?” fragt ein selbst gefertigtes Plakat, das die komplett gerodete Kunststation des niederländischen Künstlers auf der Prag zeigt. Ein unfassbarer Frevel an der Kunst, sagt sie: “Wer macht denn sowas?”
Noch ein letzter Abstecher zum Zuffenhäuser Porschemuseum, das während der Langen Nacht der Museen ebenfalls zur “Route U6” zählt, weil Shuttlebusse es mit dem Feuerbacher Bahnhof verbinden. Es ist farbenfroh angestrahlt der Chrom blitzt – und es liegt ein ohrenbetäubendes Dröhnen in der Luft: “Motorstarts” nennt sich die Aktion, bei der die Motoren bis zum Anschlag hochgejagt werden. “Gönnen wir uns dieses Geräusch” sagt der Moderator gerade und die Menge lauscht andächtig. Die Luft ist benzinschwanger und sorgt für ein schales Gefühl in Zeiten einer erhitzt geführten Abgas-Debatte, denn dieses besteht nicht nur aus Feinstaub. Seinen Zauber scheint der “originale Porsche-Motorsound” aber zu verbreiten, auch als hier die Museumsnacht viel später zu weit vorgerückter Stunde verklingt.
Von Susanne Müller-Baji