Ausstellung "Côté Bleu - Akzente - Farbräume":

Vernissage mit Rüdiger Tamschick im Kunsthaus Frölich am 5. Februar

Das Kunsthaus Frölich lädt am 5. Februar zu einer Vernissage mit anschliessender Ausstellung von Bildern des in Stuttgart und Grasse arbeitenden Künstlers Rüdiger Tamschick ein.

Christian Gögger, der Kurator des Esslinger Kunstvereins, wird eine Einführung in das Werk und die Schaffensweise des Künstlers geben.
Der Künstler Rüdiger Tamschick wird am Abend persönlich anwesend sein.

Um Anmeldung wird gebeten.
Vernissage am 5. Februar 2020 um 19.30 Uhr. Die Ausstellung läuft bis zum 31. März 2020.

Über Rüdiger Tamschick:

In der Edition Cantz ist 1991 die Publikation Rüdiger TAMSCHICK Malerei erschienen, darin ein ausführlicher Text mit dem Titel: Szenarien eines Durchbruchs, der sich mit der damals jüngsten Bilderserie des Künstlers beschäftigt. Geschrieben hat ihn der Kulturjournalist Gerhard Hesler. Rüdiger Tamschick war zu der Zeit Mitte vierzig und nicht allein in Stuttgart eine bereits angesehene Künstlerpersönlichkeit. Ausgebildet an der Akademie in Stuttgart als Maler und in München als Bühnenbildner ist er ein Grenzgänger zwischen der freien Kunst und der Ausstattung und Inszenierung von Räumen. Er realisierte Ende der 1980er-Jahre zwei riesige, eindrucksvolle Lichtinstallationen für die Stadthalle Sindelfingen und die Neckarwerke in Fellbach. Wenig später malte er das 500 qm große Wandbild für den Neubau des Kongresszentrums der Liederhalle in Stuttgart. Und folgerichtig konstatiert Gerhard Hesler in seinem Aufsatz Tamschicks Arbeit als raumgreifend und gattungsübergreifend und qualifiziert dessen großzügige malerische Disposition, wie auch seine Fähigkeit, in großen Dimensionen zu denken und künstlerisch multimedial zu handeln. Im Wesentlichen aber beschäftigt sich der Text, entstanden vor über 30 Jahren, mit der Malerei und den Arbeiten auf Papier. Und in der Beschreibung erkenne ich überdeutlich den Maler, vor dessen Bildern wir in dieser Ausstellung im Kunsthaus Frölich stehen. Es scheint, als hätte der Maler damals einen Entschluss gefasst, einen malerischen Duktus nachhaltig zu entwickeln, einen sehr spezifischen Dialog zwischen Farbe und Form zu kultivieren, der ihn bis heute nicht losgelassen hat, den er immer und immer wieder evoziert und verdichtet, dem ein unverwechselbarer, sehr eigener Stil innewohnt. Gerhard Hesler hat das so treffend charakterisiert und in sprachlichen Bildern festgehalten, dass es lohnt, dem erneut nachzugehen.

Da ist zum Beispiel die Serie der fast quadratischen Mittelformate, Öl auf Leinwand, in deren dichtem Farbtupfen-Allover deutlich ein Rand im Bild malerisch angelegt ist. Auch schon in den frühen Bildern ist mit der gemalten Rahmenform ein Flächenelement bestimmt, vielleicht gar über die Farbe ein Bildraum eröffnet. Die realen Bildränder werden nicht als notweniges Übel sich selbst überlassen, sondern in der gegenläufigen Bildaktion betont. Eine Markierung für den Maler, die auch auf den Betrachter wirkt, der sich laut Gerhard Hesler durch diese Rahmenhandlung ins Bild versetzt sieht. Diese Abgrenzung der Bildfläche ist vorwiegend (‚ausschließlich’ wage ich nicht zu schreiben) eine Eigenschaft der größeren Formate, der Malerei mit Öl und Acryl auf Leinwand und ist nicht oder kaum den Aquarellen und Gouachen auf Bütten zu eigen. Auch sind die größeren Formate dominiert von einem seriellen, hartnäckigen malerischen Gestus. Der Pinsel trägt dabei eine immer irgendwie ähnliche Textur auf die Malfläche, eine Bildstruktur, dem ein eingeübter Bewegungsablauf zu entsprechen scheint. Dieser mitreißenden Rhythmisierung, gleichsam aus dem Stand heraus, korrespondiert die handschriftliche Vitalität des Skripturalen, die weder Schrift imitiert noch mit der Unlesbarkeit von Palimpsesten kokettiert, sondern das Schriftbild einer allgegenwärtigen Schraffur evoziert.
Was, wenn Rüdiger Tamschick auf diesem, über Jahre eingeübten formalen Gerüst – einem fernöstlichen Kalligraphen gleich, den die Wiederholung ein und desselben Schriftzeichens über einen sehr langen Zeitraum zur Meisterschaft führt – was, wenn ihm dies den Vorwand liefert sich ausschließlich auf das Farbgeschehen in seinen Bildern zu konzentrieren? Seine Malerei zeichnet eine insistierende Farbsinnlichkeit aus, wiewohl er den Eindruck des Bunten vermeidet, trotz vielfarbiger Palette. Die von einer dichten, souveränen Farbenfreude erfüllte Atmosphäre, wie Gerhard Hesler das auch bezeichnet, ist eher analytischer Natur. Es dominiert Blau von hell bis dunkel, dem kontrastierend immer nur wenige andere Farben hinzugefügt werden. Der deckende Farbauftrag hat Vorrang vor dem Effekt der Transparenz. Gleichwohl ist die Textur der Pinselstriche durchlässig – eher durchlässig als scheinbar mehrlagig. Jedes einzelne Bild ist von dieser Vehemenz der Farbe dominiert und dennoch einer kalkulierten, fein austarierten Farbkomposition unterworfen. Auch die ganz kleinen Formate funktionieren mitunter nach diesem Prinzip.

Mitunter, denn es bliebt im Kern eine Unterscheidung zwischen den Arbeiten auf Bütten und denen auf Leinwand oder sollte man sagen den Gouachen und der Öl-, Acrylmalerei. Manches Papier verzeichnet einen Pinselschlag, wie vielleicht bei Karl-Otto Goetz, dem frühen Ernst Wilhelm Nay oder einem französischen Aktionsmaler. Solche ungestümen Gesten gibt es nur auf Papier – und von wegen ungestüm: Gerhard Hesler schließt seine Ausführungen mit den Sätzen: Ungestüm und Intelligenz, diese rare Verbindung kennzeichnet seine Malerei, ...man möchte dieser Malerei die Energie einer Utopie zutrauen.


Christian Gögger, Januar 2020
(Mit Zitaten von Gerhard Hesler, aus dem genannten Katalog der Edition Cantz, Ostfildern 1991)


Veröffentlicht am 02.02.2020