Keine Angst vor Aerosolen:

Wie Kirchenmusiker Detlef Dörner dem Ausnahmezustand mit Einfallsreichtum begegnet

Detlef Dörner mit den Trennwänden, durch die das Singen auf der Empore nun doch wieder gestattet ist. Fotos: S. Müller-Baji Bild 1 von 2: Detlef Dörner mit den Trennwänden, durch die das Singen auf der Empore nun doch wieder gestattet ist. Fotos: S. Müller-Baji

Corona hat die Kirchengemeinden vor eine schwere Aufgabe gestellt, doch der katholische Kantor Detlef Dörner weiß: Krise ist auch ein sehr kreativer Zustand.

Etwas ist anders in St. Josef, aber gleichzeitig so unaufdringlich, dass man es nicht sofort benennen kann: Von der Orgelempore her erklingt leises Klavierspiel, vom Band, eingespielt von Kantor Detlef Dörner. Eine nette Idee, wenn auch aus der Not geboren: “Die Gottesdienste waren wegen Corona ausgesetzt, das Gemeindehaus geschlossen. Nur die Kirche war weiterhin offen, und es kamen ja auch immer wieder Leute, um zu beten oder einfach nur ein wenig zu sitzen. Allerdings fühlte sich das Gebäude ohne Gemeinde leer und einsam an.”

Also sollte eine Hintergrund-Untermalung her, “so wie Fahrstuhlmusik, die man im Idealfall gar nicht richtig wahrnimmt”. Mit Klanghintergründen kennt sich Dörner aus, hat er doch zur Kulturnacht 2007 im Stadtbezirk genau hingehört, daraus die Klangcollage “Onser Feierbach” erstellt und das graue Rauschen des Alltags quasi zur Kunstform erhoben. Jetzt erschuf er seinerseits die Hintergrundmusik für das Coronajahr 2020. Die Wohlfühlklänge waren schnell eingespielt, “hemdsärmlig”, wie der Kirchenmusiker sagt.
Es ist nun gerade das Unvollkommene, das bezaubert. Als übte irgendwo jemand auf dem Klavier – und sofort fühlt sich der Zuhörer weniger fremd und allein. Das Konzept kommt an: Als die Gottesdienste wieder zugelassen wurden, setzte Dörner seine Hintergrundmusik vorübergehend aus. “Prompt kamen Beschwerden, wo die schöne Musik geblieben sei”, lacht er.

Corona durchkreuzte auch Detlef Dörners Engagement für das Festival Europäische Kirchemusik in Schwäbisch Gmünd. Als dieses nicht in seiner üblichen Form stattfinden konnte, erarbeitete er die Komposition “Nostalgia – Sehnsucht nach den Glocken”, die am 18. Juli uraufgeführt wurde und alle 13 Glocken der Stadt einbezog, vom Geläut der vier Kirchen bis zum Rathaus-Glockenspiel. Könnte er sich etwas Ähnliches auch für Feuerbach vorstellen? “Das ist leider nicht möglich, dafür sind die Entfernungen zu groß: Man würde die einzelnen Teile nicht richtig hören”, bedauert Dörner.

Doch auch so hat er alle Hände voll zu tun: Er erzählt, die ersten Gottesdienste nach Lockerung seien sehr ungewohnt gewesen: “Wir durften ja nicht singen.” Mittlerweile erlaubt die Diözese vier Sänger auf der Orgelempore, natürlich unter Einhaltung der Hygiene-Regeln. Was dem Kantor handwerkliche und psychologische Fähigkeiten gleichermaßen abverlangte. Zunächst baute er Trennwände aus Holzleisten und Plexiglas. Dann galt es, eine gefühlte Hemmschwelle zu beseitigen: Chorsänger sind es gewöhnt, in der Gruppe zu singen. Es kostet Überwindung als einer von nur vier Sängern, – als Fast-Solist – vor die Gemeinde, beziehungsweise auf die Orgelempore zu treten.
“Als ich das erste Mal fragte, meldete sich genau eine Sängerin”, berichtet Dörner. Dann setzte er genau die Überzeugungskraft ein, die er vor Corona auch bei seinen “Ich kann noch nicht singen”-Chören” angewendet hat. Mittlerweile beteiligen sich so viele Sänger, dass der Kantor immer neue Besetzungen zusammenstellen kann. Immer im Einklang mit den sorgfältig ausgewählten Stücken, die sich gut einstudieren und in der allerkleinsten Besetzung singen lassen. “Das ergibt eine ganz neue Atmosphäre”, sagt er über die neue Schlichtheit in Sachen Musik im Gottesdienst.

Was irgendwie die Redeweisheit bestätigt, dass in jeder Krise auch ein Chance steckt, sagt Dörner zum Abschied: Jetzt könne man sich auch wieder über die kleinen, leisen Momente freuen. Und: “Ich bin überzeugt davon, dass der ganze Chor davon profitieren wird.” Jenseits von Corona, wenn wieder alle gemeinsam auftreten dürfen.


Von Susanne Müller-Baji

Übrigens: Wie weitere Feuerbacher Künstler die Coronazeit kreativ nutzten, können Sie hier lesen

Veröffentlicht am 07.09.2020