Nachlässe von Feuerbacher und Zuffenhäuser Künstlern:

Was bleibt von einem Künstlerleben?

Der Zuffenhäuser Künstler Hans Beck bei seiner Retrospektive in der Zuffenhäuser Zehntscheuer. Fotos: Susanne Müller-Baji. Bitte auf das Bild klicken, um Galerie zu starten. Bild 1 von 6: Der Zuffenhäuser Künstler Hans Beck bei seiner Retrospektive in der Zuffenhäuser Zehntscheuer. Fotos: Susanne Müller-Baji. Bitte auf das Bild klicken, um Galerie zu starten.

“Vita brevis, ars longa” soll Hippokrates gesagt haben - übersetzt etwa: “Das Leben ist kurz, die Kunst von Dauer”. Wie ist das aber, wenn Künstler sterben – was wird dann aus ihrem Werk?

Im Stuttgarter Norden gibt es verschiedene Ansätze zum Thema Künstlernachlässe, die auch viel über die individuellen Kunstbegriffe verraten.

Dem Feuerbacher Kunstprofessor Hugo Peters (1911 - 2005) gelang auf Betreiben seines Künstlerkollegen Horst Bulling, um was ihn so mancher beneidete: Er konnte sein Oeuvre noch zu Lebzeiten an die Sammlung Würth verkaufen. Ein Glücksfall, der den Vorteil hat, dass der Nachlass so unter professionellen Bedingungen gebündelt wird und erhalten bleibt. Allerdings trennte sich der damals schon hochbetagte Peters nur sehr schwer von seinen Bildern. Und es besteht die Gefahr, dass das Werk so aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet.
Andere wählen das Prinzip der maximalen Streuung. Nach dem überraschenden Tod des Zuffenhäuser Zeichner Hans Beck (1926 - 2013) organisierte sein Freundeskreis eine Ausstellung, bei dem auch Zeichnungen aus dem Nachlass verkauft wurden. Zum eher symbolischen Preis zwar, doch brachte dieses Vorgehen Geld für Grabgestaltung und Grabschmuck ein – und seine vielen Bekannten hatten die Chance, eine bleibende Erinnerung an den Verstorbenen mit nach Hause zu nehmen.

Bisweilen organisieren die Hinterbliebenen eine Gedächtnisausstellung, wie beim bereits erwähnten Maler Horst Bulling (1933 - 2007). Und bemerken bisweilen, was Komiker Karl Valentin so sinnig auf den Punkt gebracht hat: “Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.” Ohnehin lässt sich so eine Aufgabe eher zu mehreren stemmen, wie das Beispiel Otto Herrmann (1899 - 1995) zeigt: Den Nachlass des Malers und Grafikers verwaltet die eigens ins Leben gerufene “Otto und Maria Herrmann-Stiftung” im Feuerbacher Archiv und präsentiert die Werke immer wieder öffentlich.

Auch Maximilian Imkamp entschied sich, den Nachlass seines Vaters Wilhelm Imkamp (1906 - 1990) in der Familie zu halten. Erleichtert wurde die Entscheidung dadurch, dass seine jüngste Tochter, eine Kunsthistorikerin, sich ebenfalls des Werks des Großvaters annehmen möchte. Schon zu dessen Lebzeiten war ein Werkverzeichnis erstellt worden; den Corona-Lockdown nutzten Maximilian Imkamp und Ehefrau Christine, nun auch den Nachlass im Atelierhaus am Killesberg zu katalogisieren.

Beide Verzeichnisse helfen später Kuratoren und Kunsthistorikern, den Verbleib der Arbeiten nachzuvollziehen. Allerdings sind Künstler oft selbst nachlässig, wenn es darum geht, ihr Werk zu dokumentieren – gerade zu Beginn ihrer Laufbahn: “Früher habe ich immer gedacht, das weiß ich doch, an wen ich ein Bild verkauft habe”, erzählt Marlis Weber-Raudenbusch, Künstlerin und langjährige Vorsitzende des mittlerweile aufgelösten Feuerbacher Kunstvereins.

Sie hat mehrfach geholfen, Künstlernachlässe zu organisieren. Für die Hinterbliebenen sei es oft schwer, das Atelier aufzulösen, das ja quasi das Allerheiligste eines Künstler ist: Was behalten, was weggeben? Auch bei anderen Fragen gehen die Meinungen auseinander: Wie soll man etwa mit unvollendeten Werken umgehen? Weber-Raudenbusch plädiert dafür, sie zu vernichten, da sie vom Künstler nicht durch eine Signatur für die Öffentlichkeit freigegeben worden sind. Ein Ansatz, der trauernde Angehörige durchaus verstören kann.

Oft ist es auf dem Kunstmarkt leider so, dass Künstler erst nach ihrem Tod Anerkennung finden. Andere geraten in Vergessenheit, während einige wenige wiederentdeckt und doch noch gefeiert werden. Ob die professionelle Bündelung oder die maximale Streuung des Nachlasses dazu beiträgt – wer kann das schon sagen? Fest steht: So ein Nachlass kann eine große Ehre und eine schwere Bürde sein. Ihrer Tochter hat Weber-Raudenbusch jedenfalls erlaubt, ganz nach Gutdünken mit dem Werk zu verfahren: “Ich hätte auch kein Problem damit, wenn sie mir meine Arbeiten mit einem Feuer in den Himmel hinterher schickt”, sagt sie. Natürlich wäre es schön, wenn etwas bliebe oder gar der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würde. “Aber sie hat meine Erlaubnis, falls nicht.”

Und wie ist das nun mit der Kunst, die das Leben überdauert? Das liegt - außer bei ganz wenigen Ausnahmen – vielleicht gar nicht im Oeuvre, sondern darin, dass man zu Lebzeiten die Größe der Kunst vermittelt hat: Wilhelm Imkamp war Maler, sein Sohn ist Kunstlehrer im Ruhestand, die Enkelin Kunsthistorikerin. Etwas Kunst ist immer – und das ist vielleicht auch, was bleibt.


Susanne Müller-Baji


INFO:
Einen weiteren Artikel über Feuerbacher Künstler finden Sie hier

Veröffentlicht am 01.10.2020