2020 war das Jahr in dem wir an die Mund-Nasen-Bedeckung gewöhnen mussten – und vielen der euphemistische Ausdruck “Triage” allzu leicht von den Lippen ging.
Vieles musste hinter der Pandemie zurückstehen und nicht alles, was im ersten Lockdown schließen musste, wird nach dem zweiten wieder aufmachen. Wer hat da schon Lust auf einen Jahresrückblick? Auch die Feuerbacher Bezirksvorsteherin Andrea Klöber wirkt wenig begeistert. Das Gespräch zeigt allerdings, dass die Gesamtlage zwar durchaus zu wünschen übrig lässt, aber trotzdem überraschende Erkenntnisse mit sich bringt.
Denn Andrea Klöber wäre nicht sie selbst, würde sich nicht doch auch Positives für sich aus diesem Jahr mitnehmen. Zum einen sei zum Glück nicht alles komplett zum Erliegen gekommen: “Im Hintergrund laufen viele Dinge weiter, die Planung für das Quartier am Wiener Platz, zum Beispiel.” Die Bezirksvorsteherin empfiehlt dazu die “Werkschau am Bauzaun”: “Sie ist sehr gut gemacht und weil sie draußen ist, auch zu Corona-Zeiten frei zugänglich und ein lohnendes Ziel für einen Spaziergang.”
Der nun schon zweite Lockdown schränke leider die Möglichkeiten der Beteiligung der Bürger an Entscheidungsprozessen stark ein, sagt sie und hofft, dass sich das schnell wieder ändert. Dieses ganz besondere Jahr habe eindeutig im Zeichen des Krisenmanagements gestanden – und der Fürsorgeplicht: Als Bezirksvorsteherin musste sie die Feuerbacher schützen, als Arbeitgeberin aber auch ihre Angestellten.
Obwohl ihre Arbeit im Rathaus selbst natürlich weitergegangen sei, habe die Absage nahezu aller Veranstaltungen dazu geführt, dass der Terminkalender mit einem Mal nahezu leer gewesen sei und ihre Freizeit geradezu wunderbar entschleunigt. Zum Beginn des ersten Lockdowns war sie gerade frisch umgezogen, das Fehlen eines Teils der Kücheneinrichtung habe dem Speisezettel da deutliche Grenzen gesetzt. “Dafür war auf einmal viel Zeit, mein neues Wohnumfeld bei Spaziergängen zu entdecken.”
Sie habe die Zeit auch genutzt, um ihre Italienisch-Kenntnisse aufzufrischen und die Rätselform Sudoku für sich entdeckt. Außerdem habe sie wieder zu nähen begonnen – “Masken natürlich”. Viele sahen sich da gewissen Materialengpässen gegenüber und Andrea Klöber ging es nicht anders: Die Männer im Bekanntenkreis wurden also aufgefordert, Oberhemden zu stiften, die Frauen sollten Hosengummi auftreiben. “Hosengummi – benutzt das heute eigentlich noch jemand?”, fragt Andrea Klöber verblüfft. Es entwickelte sich ein reger Tauschhandel rund um den Mund- und Nasenschutz: “Wir hatten so viel Spaß dabei.”
Was hat sie im Lockdown am meisten überrascht? “Dass die Leute so gehortet haben – ich habe mir gedacht: Auf die Ebene begebe ich mich nicht, dass ich jetzt Klopapier hamstere”. Hat sie auch Helden im Lockdown ausmachen können? “Da gab es so viele: Wie sich der FFF (Freundeskreis Flüchtlinge Feuerbach) weiter um Geflüchtete gekümmert hat, trotz der Einschränkungen. Und noch viele, viele andere: Einfach: Die Helden des Alltags.”
Wirklich erschreckend sei aber, wie sehr Covid-19 das Ehrenamt und das bürgerschaftliche Engagement ausbremse. Und auch das völlige Herunterfahren der Kultur hat Andrea Klöber schwer getroffen: “Unsere eigenen Feierabendkonzerte haben exakt einmal stattgefunden, im Oktober.” Während der relativen Lockerung im Herbst habe sie versucht, so viel Kultur wie möglich in ihre Freizeit zu packen: Mehrere Kinobesuche, ein Konzert und ein Theaterabend, zählt sie auf.
Doch die Sorge bleibt, dass Gutes einfach verschwindet. Andererseits sei sie beeindruckt von der Kreativität, mit der gerade die Kulturschaffenden die Zwangspause überbrücken “und auch die Kirchen haben sehr gute Angebote entwickelt”. Für das neue Jahr hofft Andrea Klöber auf schnelle Impfungen und eine umfassende Herden-Immunität. “Und dann”, sagt sie zum Abschied, “lassen wir es krachen!”
Info: Die Werkschau am Bauzaun ist bis Mai 2021 nahe des Feuerbacher Bahnhofs, hinter dem Tiefbunker zu sehen.
Wer in Corona-Zeiten die Sicherheit in den eigenen vier Wänden vorzieht: Alle Pläne der Werkschau und weitere Informationen zum Projekt gibt es auch im Internet unter www.stuttgart.de/quartier-am-wiener-platz
Von Susanne Müller-Baji