Man kann das vielleicht auch in mehr als nur einem Wortsinn verstehen: Feuerbach und Stuttgart versanken während des 2. Weltkriegs in teilweise giftigem Nebel - zum Zwecke der Tarnung vor Luftangriffen.
In seinen "Rundbriefen" veröffentlicht der Verein Schutzbauten Stuttgart e.V. immer wieder interessante und wissenswerte Beiträge über historische Themen aus dem 2. Weltkrieg und dem kalten Krieg. In der Ausgabe vom Februar 2021 berichtet der Verein nun über ein fast vergessenes Kapitel aus dem 2. Weltkrieg - der Taktik zur Vernebelung der Stadt Stuttgart und ihrer Stadtbezirke wie Feuerbach zum Zwecke der Tarnung vor Luftangriffen der Alliierten.
Wir wollen Ihnen diesen Artikel aus dem SchutzbautenAktuell-Rundbrief Februar 2021 (Ausgabe 36) nicht vorenthalten. Viel Spaß beim Lesen:
Stuttgart wird vernebelt
Zur Tarnung durch eine Vernebelung bot sich Stuttgart, dank seiner topografischen Kessellage, besonders an.
Am 27. Februar 1941 wurden die ersten 7 Vernebelungsanlagen nach Dr. Brüninghaus, aus Bad Cannstatt aufgestellt. Als Chemikalie zur Nebelbildung wurde Chlorsulfonsäure eingesetzt. Eine am 10. April 1942 veranlasste Vernebelung des Neckartals hatte gravierende Folgen. Der Einsatz führte zu Beschwerden wegen der starken Beschädigung der Vegetation. Hunderte von Obst- und Gemüsebauern verlangen Schadenersatz. Obstbäume mussten z. B. gefällt werden, weil sie verdorrt waren. Auch die Industrie beschwerte sich, da alle Metallteile stark korrodierten. Trotzdem bestand das Luftgaukommando auf der Einnebelung des Daimler-Areals. Dazu wurden auf den Brücken des Neckars Vernebelungsgeräte aufgestellt. Austropfende Chemikalien die in den Neckar gelangten, führten zu einem Fischsterben. Ab 28. September 1942 wurde mit einem neuen Mittel (Ammoniumchlorid) die Vernebelung erneut getestet. Mit dieser Chemikalie traten keine Korrosions- und Vegetationsschäden mehr auf.
Bei einer Übung am 6. Oktober 1942 wird mit diesen Mittel der Talkessel mit einem dichten Schleier aus 47 Nebelquellen überzogen. Darunter gab es auch so genannte Nebelkästen, die jeweils von einem Nebelbeauftragten gewartet wurden.
Dazu gehörte das Reinigen und Befüllen der Anlage. Die Beschaffung des neuen Vernebelungspulvers hatte aber große Schwierigkeiten. Erst nach Intervention von Oberbürgermeister Karl Strölin bei Gauleiter Murr wurde eine entsprechende Zuteilung von 1500 Kilogramm bewilligt. Gegen Ende 1942 konnte das Verneblungsmittel flächendeckend eingesetzt werden. Zusätzlich zu den Nebelschleudern nach Dr. P. Brüninghaus, wurden kleine Nebelkästen im Stadtgebiet verteilt. Diese wurden bei Voralarm durch die Flak elektrisch gezündet. Zusätzlich zu den von der Wehrmacht betriebenen Anlagen im Neckartal werden auf 180 Dächern Nebelschleudern verbaut. Dazu kommen zehn mobile Nebelgeräte auf Lastwagen, die je nach Witterung im Stadtgebiet platziert werden. Laut den uns vorliegenden Listen gab es 410 Stellen, an denen Nebelkästen aufgebaut waren. In Feuerbach war dies durchweg bei Firmen, wie z. B. bei Kiefer, Gretsch Unitas, Zimmermann oder Werner & Pfleiderer. Die Nebelchemikalie erhielt den Tarnnamen "Badesalz". Die Nebelkästen wurden regelmäßig durch dafür eingesetzte Nebelwarte betreut. Sie erhielten eine Schaufel mit denen sie die Reste der abgebrannten Chemikalie in mitgelieferte Pappbehältnisse entfernen mussten. Bis zum Herbst 1942 blieb Stuttgart vor weiteren Bombardierungen verschont. Ein letzter Angriff bei welchem die Vernebelung funktionierte, war am 20. Dezember 1942. Am 13. Januar 1943 wurde die Zahl der Vernebelungsmaschinen auf 98 Stück erhöht. Auf den Höhelagen von Stuttgart wurde nur in Vaihingen, Möhringen und Rohr im Juni 1943 jeweils eine Nebelschleuder aufgestellt. Die Weite der Filderebene war aber für diese Art der Tarnung ungünstig, da sich der Nebel hier nicht hielt.
Trotz der Einnebelung wurde Stuttgart gefunden. Die neue Technologie "Radar" bei den britischen Fliegern ermöglichte ein Auffinden der Stadt trotz Nebeltarnung. Eine Vernebelung war als Tarnung deshalb nicht mehr wirkungsvoll und wurde eingestellt. Oberbürgermeister Strölin erhielt von seinen Mitarbeitern im Rathaus zu seinem 50. Geburtstag 1940 ein Model der Nebelmaschine Brüninghaus geschenkt. Dieses Model dürfte bei der Zerstörung des Rathauses im Juli 1944 verbrannt sein.