"Back" to the future:

Wahl-Feuerbacher Jürgen Kaiser veröffentlicht neues Buch "Zwischen Glut und Brot" über Frauen, die Geschichte schrieben

Jürgen Kaiser vor dem historischen Backhaus in Münchingen. Fotos: S. Müller-Baji Bild 1 von 1: Jürgen Kaiser vor dem historischen Backhaus in Münchingen. Fotos: S. Müller-Baji

Es gibt Bücher, die sind lange überfällig, findet Jürgen Kaiser, Autor, Pfarrer und Journalist im Ruhestand. Der Wahl-Feuerbacher hat im Laufe der Jahre eine Reihe von Büchern über die Schwaben veröffentlicht.

Über ihre Küche, ihre Wesenszüge und über die Tüftler, die daheim schlecht gelitten, im Ausland aber gefeiert waren. “Bei den Recherchen bin ich immer wieder auf spannende Frauen gestoßen, die aber nicht so recht ins jeweilige Konzept gepasst haben". Jetzt hat er den “Frauen, die Geschichte geschrieben haben” ein eigenes Buch gewidmet, erzählt im Backhaus, "zwischen Glut und Brot".

Eingebettet hat er die Lebenswege - von Hildegard von Bingen bis Elly Heuss-Knapp, von der Bankerin bis zur Pilotin - in die alltäglichen Begegnungen im Backhaus: Mangels anderer Rückzugsmöglichkeiten diente das den Frauen über die Jahrhunderte auch als Informationsbörse: “Tratsch, Klatsch, Geheimnisse, Backrezepte, Tipps zur Verhütung – hier konnte über all das gesprochen werden, hier waren die Frauen unter sich”, schreibt Kaiser im Vorwort und hängt am Schluss noch drei traditionelle Brot-Backrezepte an. Und natürlich wird erst im Vergleich zu den zeitgenössischen Frauenwelten deutlich, welcher Kraftakt nötig war, um aus den angestammten Rollenbildern auszubrechen.

Viele der Vorgestellten gerieten übrigens nach ihrem Tod auffallend schnell in Vergessenheit, vielleicht, weil Erfolg etwas ist, was man Frauen nur schwer zugesteht: In der Episode zu Karoline “Chaile” Kaulla (1739 - 1809) weist Kaiser ausdrücklich auf die männlich geprägte Erinnerungskultur hin. Auf Kaulla geht immerhin die “Königlich Württembergische Hofbank” zurück. Doch erst seit 1993 erinnert der Karoline-Kaulla-Weg an sie und der wird durch Stuttgart 21 auch wieder von den Stadtplänen verschwinden.

Wer kennt hierzulande Mina Schmidt-Moscherosch (1868 - 1961), die erste Kostümbildnerin Amerikas? Mit Können, strategischem Denken und deutschen Märchen wurde sie in Chicago zur erfolgreichen Unternehmerin, holte ihre Jugendliebe nach und stiftete ihrer Geburtsstag Sindelfingen den Bau des ersten Krankenhauses. Oder Thea Rasche (1899 - 1971), “The Flying Fräulein”? Sie sollte eigentlich durch eine arrangierte Hochzeit die Nachfolge in der Brauerei ihres Vaters sichern. Statt dessen fand sie ihre Bestimmung und lernte fliegen.
Wie ihr das gelingt, das allein ist schon filmreif: Für die Flugprüfung soll sie die Strecke Bremen-Hannover-Hamburg fliegen – in einer fast fluguntüchtigen Maschine, die ein Mann vermutlich rundweg abgelehnt hätte. Sie aber fliegt immer den Gleisen nach, orientiert sich an den Bahnhöfen und das alles, während sie wegen der kaputten Benzinpumpe ständig von Hand Treibstoff nachpumpt. Doch sie schafft es, macht als erste deutsche Frau auch den Kunstflugschein und wird mit amerikanischen Flugshows berühmt. Zurück in Deutschland ist ihr freilich kein Glück beschieden: Soviel weiblicher Freigeist kommt in der Heimat nicht gut an, Rasche stirbt völlig verarmt.

In einer Zeit, in der viel gejammert wird, sind die Lebenswege im Buch ausgesprochen inspirierend. Jürgen Kaiser arbeitet unter dessen an einem weiteren Band der verkannten schwäbischen Tüftler. Gleichzeitig hofft er, bald wieder öffentlich lesen zu können. Auch, weil ihm bei den Publikumsgesprächen vielleicht noch weitere interessante Frauenschicksale zugetragen werden, wie es bei der Episode um Mina Schmidt-Moscherosch der Fall war. Und Vorbilder wie jene wunderbaren Frauen kann unsere Gesellschaft gar nicht genug haben.

INFO
„Zwischen Glut und Brot – Frauen, die Geschichte schrieben“ von Jürgen Kaiser ist in der Edition Gemeindeblatt erschienen (ISBN 978-3-945369-97-5).
Das Buch ist im Buchhandel sowie in Feuerbach über die Buchhandlungen Hübsch und Schairer erhältlich.


Von Susanne Müller-Baji

Veröffentlicht am 17.02.2021