Viel Kultur und noch mehr Aufbruchstimmung:

Das war die FeuerbachNacht 2021

Das Gamelan-Ensemble Kridha Budaya im Freien Musikzentrum nahm die Besucher*innen der Kulturnacht im Untergeschoss des FMZ auf eine Reise ins fernöstliche Indonesien mit. Zwischen den Aufführungen durfte man die exotischen Instrumente auch selbst mal ausprobieren. Fotos: S. Müller-Baji und feuerbach.de Bild 1 von 36: Das Gamelan-Ensemble Kridha Budaya im Freien Musikzentrum nahm die Besucher*innen der Kulturnacht im Untergeschoss des FMZ auf eine Reise ins fernöstliche Indonesien mit. Zwischen den Aufführungen durfte man die exotischen Instrumente auch selbst mal ausprobieren. Fotos: S. Müller-Baji und feuerbach.de

Ähnlich frisch wie die Temperaturen war bei der diesjährigen FeuerbachNacht, der ersten nach (bzw. noch während) Corona, auch das Grundgefühl. Aufbruch lag in der Luft - man hat gespürt, die Leute haben Lust auf Kultur und einiges "nachzuholen".

Gerade erzählt Jürgen Kaiser als Büttel von Feuerbach, wie der Stadtbezirk zu seiner Kelter gekommen ist. Dann gibt er seinem kleinen Gehilfen Anweisung: Jetzt darfsch schelle, Bua!” Der Junge lässt sich das nicht zweimal sagen und läutet mit der Handglocke zum Aufbruch, als ob es kein Morgen gäbe. Und Aufbruch lag bei 14. Kultur- und Einkaufsnacht am Samstag überdeutlich in der Luft: Endlich wieder Kultur satt, endlich wieder bummeln.

Drei Mal führte der Büttel an diesem Abend für den Bürgerverein durch den Alten Flecken. Und es gab noch einen Rundgang: Der Verein Schutzbauten Stuttgart zeigte, wo im Stadtbezirk die Überreste des zweiten Weltkriegs bis heute sichtbar sind. Außerdem präsentieren seine Mitglieder vor dem Rathaus ein Lego-Modell, das das ganze Ausmaß des Tiefbunkers am Bahnhofplatz zeigt; öffentlich zugänglich ist nur ein kleiner Teil. “Jetzt suchen wir eine Stelle, wo wir das Modell ausstellen können”, sagt Jochen Schmaus: “Notfalls unterirdisch im Bunker, besser wäre aber überirdisch und für alle sichtbar”.

Ein besonders früher Veranstaltungspunkt der Feuerbach"Nacht", zu dem das ServiceHaus 'Kitz 7' auf dem Feuerbacher Balkon bereits um 14 Uhr einlud, sollte sich als echtes Highlight herausstellen; Gerhard Matheis, vielen Feuerbacher*innen noch als Doctor Marrax in bester Erinnerung, hat den (Zauber-)Hut an den Nagel gehängt und sich einer neuen Leidenschaft verschrieben, dem Filmemachen. Tatsächlich ist ihm mit "Gilbert - ein Gespräch unter Gauklern" ein echtes Erstlings-Meisterwerk gelungen, das auch dem Abendprogramm von arte oder 3Sat gut stehen würde. Zu zwei Aufführungen um 14 und 17 Uhr lud der Künstler, der sich 2019, schon vor Corona, von der Strassenkunst zurückzog, ein. Sujet des Films ist das Leben des weltberühmten Pariser Gauklers "Gilbert le Saltimbanque", dessen Kunst, aber vor allem dessen Leben von seinem guten Freund Gerhard Matheis sowie mit Hilfe des Feuerbacher Videokünstlers Rainer Schwarz beeindruckend auf Zelluloid (bzw. Festplatte) gebannt wurde. Natürlich alles 3G-Konform mit Abstand, Masken und Kontaktverfolgung.

Wer seine Veranstaltungen draußen durchführte, konnte diese Regeln wiederum etwas leichter einhalten. Wie Sonja Traub von Blumen Pietsch, die die Lesung mit Autor Frank Rebitschek vor dem Laden angesetzt hatte – auch wenn es empfindlich kühl war. Anders als befürchtet, lauschten später aber etliche Gäste andächtig: Die Sehnsucht nach Kultur scheint nach der Zwangspause besonders groß zu sein. Traub spricht aus, was an diesem Abend häufiger zu hören war: “Es ist so schön, dass es endlich wieder eine FeuerbachNacht gibt!”

Die letztjährige FeuerbachNacht war für Ende März geplant gewesen und musste gut zwei Wochen vorher abgesagt werden – ein schmerzhafter Verlust für die beteiligten Kulturschaffenden und Einzelhändler. Der Herbsttermin war nun ein Versuch, ihnen dieses Jahr doch noch eine Plattform anzubieten. Ob man im kommenden Jahr wieder mit dem gewohnten Frühjahrstermin an den Start gehe, werde sich in der Nachbereitung zeigen, erläuterte Günther Röder, der die Veranstaltung für “die Aktiven im Gewerbe- und Handelsverein” mit organisiert hatte.

Jetzt aber lag Hoffnung in der Luft und die Stimmung war beinahe euphorisch, trotz des gewohnten Prozedere: Meldezettel ausfüllen, Impfnachweis vorlegen. Dann gab es einen Stempel auf den Handrücken, mit dem man auch alle anderen Programme besuchen konnte. Überraschend viele nutzten die FeuerbachNacht aber auch, um sich impfen zu lassen und warteten geduldig in der von Beginn am frühen Nachmittag bis zum Ende um 23.30 Uhr immer etwa gleichbleibend beeindruckend langen Schlange vor dem Impfbus, wo Erst-, Zweit- und Drittimpfungen ohne Termin angeboten wurden. Während die Verantwortlichen sich bei der Kirbe vor etwa 2 Monaten schon bei 140 Impfungen glücklich wähnten, dürfte die jetzige, zwar geschätzte, aber durchaus realistische Zahl von wahrscheinlich über 400 Impfungen (der Stand um genau 21.42h lag einem Mitarbeiter zufolge schon bei 320) sicherlich für Freudensprünge gesorgt haben. Aufbruch zuhauf und in jeden Sinn...

Mal gab sich die FeuerbachNacht international: Beim indonesischen Gamelan-Ensemble im Freien Musikzentrum, bei der katholischen Gemeinde St. Josef, wo die japanische Bambusflöte Shakuhachi erklang, und im Rathaussaal, wo zwei Konzerte den venezolanischen Feuerbacher Alfonso Montes und seine Kompositionen ehrten. Manches war poetisch, wie die neue Ausstellung der Schwerpunktgalerie im Neuen Gymnasium Leibniz. Die Werkschau “Selective Perception” mit den Künstlern Pirmin Lang, Hailin Wang und Dani Kangu ist übrigens bis 18. November zu sehen.

Besonders erfreulich bei dieser so hoffnungsvollen FeuerbachNacht: Auch wenn das Programm insgesamt weniger Punkte als früher verzeichnete, waren gleich zwei neue Kulturstätten mit von der Partie: Das Café Klavierzimmer allein deckte eine Spannbreite von Solo-Klavier, Lesung, Chanson und Jazz ab. Und die evangelische Stadtkirche mit ihren Chören hielt es mit dem Motto “singen und singen lassen”. Mit Liedern zwischen “Die Sonne sinkt ins Meer” bis “Der Mond ist aufgegangen” verklang hier äußerst stimmungsvoll der Abend.


Von Susanne Müller-Baji

Veröffentlicht am 27.10.2021