Eine ganze Reihe von „Stolpersteinen“ erinnern in Feuerbach an die Opfer des Nationalsozialismus. Und während alle Schicksale für Betroffenheit sorgen, sind einige noch schockierender als andere. Wer deckt all diese Schicksale auf?
Auf Betreiben der Stolpersteininitiative Feuerbach wurde Anfang Dezember ein weiterer Stolperstein verlegt, wenn auch coronabedingt ohne die sonst übliche Feierstunde. Ganz unvermittelt im Stadtbezirk auf einen der Gedenksteine zu stoßen, entspricht vielleicht aber fast noch mehr der Intention des Kölner Aktionskünstlers Gunter Demnig. Der hatte das Projekt 1993 ersonnen, um den Fluss des Alltags zu durchbrechen und an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern – gemäß des Talmudwortes: „Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist.”
Der neue Stolperstein in Feuerbach erinnert an Hans Geiger, der mit Frau und Kind zuletzt in der Bludenzer Straße 34 gewohnt hatte. Allerdings ist sein Schicksal bis heute ungeklärt: Als Soldat der 25. Panzer-Grenadier-Division kämpfte er an der Ostfront, beging aber wohl Fahnenflucht und wurde am 22. September 1943 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Danach verliert sich seine Spur, die Suche nach ihm blieb nach dem Krieg ohne Erfolg und auch Angehörige seien nicht mehr ermittelbar, erzählen Hildegard und Heinz Wienand.
Das Ehepaar und weitere Gleichgesinnte der Initiative zeichnen sich verantwortlich für die Verlegung zahlreicher Stolpersteine in Feuerbach und Weilimdorf, haben auch die Schicksale hinter den Gedenkorten selbst recherchiert. Das Schicksal Geigers unterscheide sich deutlich von den anderen Biographien, bestätigen die Wienands, erzählen aber auch von spannenden Recherchen: Sie stießen auf ein Flugblatt, das 1943 die Soldaten an der Ostfront zum Aufgeben aufforderte, nachdem der Feldzug dort bereits so gut wie verloren war: „Nur durch die Gefangengabe könnt Ihr Euch noch retten, wie es Obergefreiter Hans Geiger, (....), und hunderte andere Eurer Kameraden getan haben”, heißt es darin. Das Flugblatt ist quasi Geigers letztes Lebenszeichen.
Besonders erschreckend unter den Feuerbacher Stolpersteinen sind freilich diejenigen, die an die wenige Tage alten Babys erinnern, die in der „Kinderfachabteilung“ des städtischen Kinderkrankenhauses Stuttgart ermordet wurden. Und es gibt in Feuerbach auffallend viele Opfer der „Aktion T4“, die überwiegend in der Tötungsanstalt Grafeneck, aber auch in deren Nachfolgerin Hademar ausgelöscht wurden: Insgesamt waren 1940 im Zuge der „Aktion T4“ 10 654 Menschen mit Behinderungen systematisch umgebracht worden; man vergaste sie in als Duschräumen getarnten Kammern oder ließ sie verhungern.
Wie kommt es zu dieser auffallenden Häufung von „T4“-Opfern? Heinz Wienand erzählt, dass es vermutlich überall ähnlich viele Opfer gegeben habe, in Feuerbach habe man sich nur intensiver um die Nachforschungen bemüht. Allen voran Autorin Elke Martin, die sich in ihrem Buch „Verlegt“ eingehend mit den Krankenmorden 1940-1941 in der Region Stuttgart befasst hat.
Wer noch einen guten Vorsatz für 2022 sucht – Heinz Wienand hat eine Idee: „Wenn die Steine verlegt werden, sind sie noch hell scheinend“, sagt er: „Leider verschmutzen die Oberflächen sehr schnell.“ Er bittet daher die Anrainer, die Stolpersteine nach Möglichkeit zu säubern und zu pflegen: „Ein Haushaltsreiniger reicht dazu schon.“ Es wäre auf jeden Fall ein guter Dienst an einem Menschen, dem maximales Unrecht widerfahren ist.
Info: Wissenswertes zu Feuerbacher Stolpersteinen gibt es unter www.stolpersteine-stuttgart.de, über das Projekt allgemein und seinen Initiator Gunter Demnig unter www.stolpersteine.com
Artikel aus „FeuerbachGO“ (Ausgabe 01/22)