Der 20. Dezember 2019 war eigentlich ein guter Tag für Feuerbach. Die Stuttgarter GemeinderätInnen hatten beschlossen, den Stadtteil mit einem Familienzentrum zu beglücken.
Ein Typ „Plus“ sollte sogar aus dem Burgenlandzentrum nach der Vorlage zum Haushaltsplan 20/21 werden: „Der Standort mit den unterschiedlichen im Areal ansässigen Einrichtungen bietet sehr gute Voraussetzungen für ein generationsübergreifendes Stadtteil- und Familienzentrum.“ Ausstattung: rund 150 000 Euro pro Jahr.
Ziemlich „auf Zack“ waren zuvor schon Feuerbacher BürgerInnen. Vor allem auch dank des Engagements des „Freundeskreis Flüchtlinge Feuerbach“ war seit 2018 für alle Bürger (!) einiges los in den kirchlichen und städtischen Räumen des Burgendlandzentrums: vom „Treffpunkt International“ in den Willkommensräumen über Eltern- Kind-Treff, Gehirntraining, Frauenkreis, das „besondere“ Café Beso, kurdischen Tanz, Malkurse für Kinder bis zur Geflüchteten-Beratung. Dazu Weihnachtsfeiern, Autorenlesungen, Ausstellungen, Vorträge. Die Stadt gab ihr finanzielles Scherflein dazu und auch die Evangelische Kirche war natürlich mit von der Partie.
Die engagierten BürgerInnen des Freundeskreises Flüchtlinge Feuerbach allerdings machten sich immer wieder dafür stark, diesem zwar blühenden, aber doch zarten Pflänzlein gesellschaftlichen Engagements einen festen Rahmen zu geben und in ein solide finanziertes Stadtteil- und Familienzentrum zu überführen. Ein Konzept hierzu hatte, vergeblich, schon 2013 (!) das „Zukunftsforum“Feuerbach vorgelegt.
Bei den Haushaltsberatungen für 2018/19 fand ein erster offizieller Antrag im Gemeinderat für ein Familienzentrum aus formalen Gründen noch keine Zustimmung. Im Frühjahr 2019 forderte nun auch der Bezirksbeirat mit großer Mehrheit eine solche Einrichtung; auf ein Konzept des Jugendamtes schon im Jahr 2017 hatte er übrigens nicht weiter reagiert. Kurz vor Weihnachten 2019 dann „grünes Licht“. Aber Startschuss? Keine Spur.
Eigentlich hätte es locker losgehen können. Um eine hauptamtliche Leitung sollte sich das Jugendamt kümmern. Die eh schon der Stadt gehörenden Räume kurz checken, da und dort mal neu streichen, die Vorleistungen und damit den Schub der Ehrenamtlichen ausnutzen, alles doch kein Hexenwerk, oder?
Die Evangelische Kirche, wie lange zuvor schon angekündigt, stieg als Träger der Willkommensräume im November 2020 aus. Statt Beratung für Eltern, Kinderbetreuung, Seniorentreffs und Kulturangebote, gab es immer mehr tote Hose im Burgenlandzentrum. Alles hing jetzt an den Ehrenamtlichen des Flüchtlingskreises Feuerbach. Die es bis heute mit kleinen Finanzspritzen der Stadt durch alle Corona-Hürden geschafft haben, die Willkommensräume als Treff von Geflüchteten und Bürgern offenzuhalten. Auf eine Anfrage im Januar 2020, wie denn nun der Übergang zu einem Familienzentrum mit neuer Leitung gestaltet werden könnte, verlautbarte das Jugendamt, dass man „in diesem Jahr ein Trägerauswahlverfahren“ plane. Immerhin taucht das Projekt in einer Vorlage vom März 2020 an den Jugendhilfeausschuss mal wieder auf. Aber weiter passiert – nichts. Dann ein Besuchstermin im Burgenlandzentrum von Liegenschaftsamt, Jugendamt und Sozialamt, um das geplante Projekt „voranzubringen“. Ganz schön flott, neun Monate nach Gemeinderatsbeschluss. Renovierung, Fehlanzeige.
Gut Ding will wohl Weile haben. Immerhin, in der haushaltsrelevanten Mitteilungsvorlage GRDrs 100/2021 des Referats Jugend und Bildung ist der Sachstand vermerkt: „In Planung, Stadtteil- und Familienzentrum PLUS Feuerbach, Trägerschaft wird noch vergeben.“ Hallo, wir haben das Jahr 2022!
Kurze Bilanz: Ein sinnvolles Projekt, seit zehn Jahren im Gespräch, vor knapp fünf Jahren auch fachlich abgesegnet, vor mehr als zwei Jahren vom Gemeinderat beschlossen, mit rund 150 000 Euro pro Jahr durchaus finanziell bescheiden – verschwunden im Nirwana. Statt eine lebendige soziale Einrichtung zügig auszubauen, ist in der Sache eigentlich nichts passiert. Andererseits: Engagement verpufft, Frust erzeugt.
Man kann schon mal fragen: Was ist aus den Etatmitteln der Stadt für das Projekt geworden? Interessiert die GemeinderätInnen eigentlich, was aus ihren Beschlüssen wird? Ist „Versickern im Nirwana“ Standard bei Stuttgarts Planungen und eine Kooperation zwischen Ämtern ein Ding der Unmöglichkeit? Oder wird deshalb nicht nachgehakt, weil das Stadtteil- und Familienzentrum doch keine wirkliche Herzensangelegenheit für Gremien und Verwaltung ist? Dient Corona hier als billige Entschuldigung für Untätigkeit oder Desinteresse?
Feuerbach steht nun bei den neu geplanten städtischen Familienzentren an letzter Stelle. Start soll dieses Jahr sein. Schau‘n wir mal.
Michael Zeiß
SWR-Chefredakteur i. R. Feuerbach, 12.1.2022
Artikel aus „FeuerbachGO“ (Ausgabe 02/22)