Psychologie:

Wie mit Kindern über den Krieg sprechen?

"Gibt es jetzt Krieg?", fragt das Mädchen unvermittelt beim ortsgeschichtlichen Rundgang der dritten Klasse der Hohewartschule. (Ein Beitrag aus "FeuerbachGO").

Auf der Fahrt zum Termin habe ich erfahren, dass Putins Truppen in die Ukraine einmarschieren. Was soll ich jetzt antworten?

So geht es gerade vielen: Soll man seine Beunruhigung dem Kind zuliebe überspielen, dem Thema ausweichen, das Problem kleinreden? „Kinder bekommen viel mehr mit, als wir Erwachsene annehmen“, warnt Elisabeth Raffauf. Die Diplom-Psychologin, Buchautorin und zweifache Mutter gehört unter anderem zum Beratungsteam der ZDF-Kindernachrichtensendung „Logo“.

Es sei ein großer Irrtum, wenn Eltern glauben, ihre Kinder von allem Unangenehmen abschirmen zu können, sagt sie: „Ein Kind darf und muss sogar wissen, dass es nicht nur gute Menschen gibt und dass einem auch Böses widerfahren kann.“ Schon zu seinem eigenen Schutz. Natürlich schnappten Kinder aber in der Kita, in der Schule oder in den sozialen Medien, Dinge auf, die sie überfordern.
Bei so angstbehafteten Themen ist daher Fingerspitzengefühl gefragt: Man sollte dem Kind auf keinen Fall ein Gespräch aufzwingen. Denn der große Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern sei psychologisch betrachtet der, dass Kinder überwiegend im Jetzt leben, so Raffauf: „Sie stellen ihre Fragen und dann ist auch wieder gut.“ Zukunftssorgen wie ihre Eltern kennen sie eher nicht, immer vorausgesetzt, dass sie sich geborgen und sicher fühlen.

Erwachsene unterschätzten freilich oft, wie genau Kinder sie beobachten: Sagt man, die Ukraine sei doch ganz weit weg, spüren sie auf einer anderen Ebene trotzdem genau, dass die Eltern besorgt oder aufgebracht sind. Besser, man gibt gleich zu, dass man besorgt ist oder gerade selbst keine Antwort hat. Und man sollte die Lage kindgerecht erklären: „Man kann zum Beispiel sagen, da ist einer, der hat ein großes Land. Aber weil er noch viel mehr möchte, greift er jetzt nach dem viel kleineren Land daneben“, sagt Elisabeth Raffauf.
Sie empfiehlt auch, aktiv gegen das Gefühl der Ohnmacht anzugehen: Eine Kerze anzünden, eine Spende tätigen, an der sich das Kind auch ein bisschen mit seinem Taschengeld beteiligt, gemeinsam zu einer Demo gehen. Vielleicht möchte das Kind ein Spielzeug abgeben, für die vertriebenen Familien, die dieser Tage auch in Deutschland eintreffen?

Nachgehakt bei Miriam Klewar, Lehrerin an der Hohewartschule: Sie hatte während der Führung erzählt, die Zerstreuung komme zur rechten Zeit, weil die Kinder morgens sehr ängstlich gewesen seien. Wie wird Sie nun mit dem Thema umgehen? „Wir haben, unabhängig von der Weltpolitik, vor kurzem über den Frieden gesprochen: Es gab Streitereien, wir haben den Klassenrat einberufen und darüber gesprochen, was dazu beiträgt, dass sich in der Klasse alle gemütlich und sicher fühlen können.“ Darauf werde sie nun aufbauen.

Meine Antwort an jenem Morgen war, dass ich nicht glaube, dass der Krieg bis nach Deutschland kommt, dass ich aber trotzdem erschrocken und traurig darüber bin. Das Mädchen nickte. Sekunden später war es zurück bei den anderen Schülern, das schwierige Thema eindeutig beendet. Das zeige, dass Kinder eine Sorge auch schnell wieder hinter sich lassen können, wenn sie das Gefühl haben, dass die Erwachsenen sie ernst genommen haben, sagt die Psychologin.

Von S. Müller-Baji

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Veröffentlicht am 24.03.2022