Viel Wissenswertes & interessantes beim 201. Bürgertreff des Bürgervereins Feuerbach

Von der Bracke zur Burg Frauenberg: Auf der "Königsetappe" des Talkrabbenwegs

Am verbliebenen Rest der Bild 1 von 1: Am verbliebenen Rest der "Raubritterburg" Frauenberg - nach der Schleifung nur noch einem Stumpf des Bergfrieds - erzählte Buchautor und BV-Vorstandsmitglied Jürgen Kaiser den Beteiligten Anekdoten und Wissenswertes über diesen berüchtigten Feuerbacher Adelssitz. Foto: BV

Rund 40 Personen fürchteten sich keinesfalls vor der bevorstehenden schweren Wegstrecke und freuten sich bei kühlen Temperaturen meist schon auf die ebenso humorvollen, wie kenntnisreichen Ausführungen von Jürgen Kaiser, Pfarrer, Buchautor und Vorstandsmitglied des Bürgervereins.

Los ging’s auf der Hohen Warte, wo anfangs des 20. Jahrhundert das Wirtshaus „Zur Hohen Warte“ stand und von der Witwe Bracke betrieben wurde. 1916 war ihr Sohn für drei Monate auf Urlaub vom Dienst auf einem Hilfskreuzer, bekannt aus dem Buch „Seeteufel“ des Grafen von Luckner. Die Wirtschaft war jeden Abend brechend voll, als der Kriegsteilnehmer von den realistischen Abenteuern berichtete. Harmlos erscheinende Handelsschiffe verwandelten sich plötzlich in Kriegsschiffe und versenkten meist den Gegner. Eine Kriegslist der seinerzeitigen Kriegsführung der Deutschen im 1. Weltkrieg.

Auf der Eichenwald-Allee ging’s hinab zum Feuerbacher Tal, zur Mähderklinge. vorbei am Waldgebiet „Heimberg“, den der ehemalige König Wilhelm II dem Feuerbacher Wohlfahrtspflegeverein 1921, kurz vor seinem Tod geschenkt hatte. Der rührige Verein baute auf dem Gelände eine Waldliegehalle als Licht- und Luftbad für Kriegerwitwen und deren Kinder. Daneben entstand 1922 ein Blockhaus, das sogar als Solebad genutzt wurde. Seinerzeit litten viele Schwaben und Schwäbinnen unter Jodmangel. „Schwabenkröpfe“ als Folge sah man öfters im Straßenbild. Das Spurenelement Jod war und ist ein sicheres Hilfsmittel für die Schilddrüse. Im Blockhaus wurde dazu mit Jod und heißem Wasser jodhaltige Luft erzeugt. Heute ist dort der Eltern-Kind-Kindergarten untergebracht.

Die Mähderklinge, harmonisch klingend, beherbergte gefährliche Einrichtungen, zum einen die Schießbahnen der Rotebühl-Kaserne und zum andern auf dem heutigen Gelände der Kleingartenanlage die Photochemische Fabrik Hauff, die ab1900 Pikrinsäure für Granaten herstellte – also reinen Sprengstoff. Weiter ging`s Richtung Feuerbach am ehemaligen Sportplatz vorbei. An seinem östlichen Ende, auf der Höhe des Brückles, lag im Wald das „Bädle“, das erste Feuerbacher Freibad. Heinrich Schickhardt musste auf diesem Areal auf Befehl des Herzogs 1633 nach Steinkohle suchen – umsonst, er fand keine!

Jetzt forderte der steile Aufstieg die Wanderer, teils auf Kopfsteinpflaster, musste der Weg zur Burg Frauenberg überwunden werden. Ab 1220 wurde die Burg mit einem 20 m hohen Bergfried hoch über dem Feuerbacher Tal erbaut. Freilich sind heute nur noch wenige Grundmauern vorhanden, die auch erst 1971 entdeckt wurden. Die Herrscher von Württemberg, so Herzog Christroph von Württemberg, verwendete die besten Steine zum Bau der erweiterten Stadtmauer von Stuttgart im Bereich Hospitalviertel.

Wie hinauf, so steil führte der Feuerbacher Weg hinunter ins Tal. Hochachtung ergriff die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, als sie aus Jürgen Kaisers Munde vernahmen, dass auf dieser Strecke bis zum Ersten Weltkrieg, bis zu 80 Frauen aus Feuerbach, tagtäglich, um 5 Uhr früh, den steilen Berg hochkamen, um ihren Kunden im Stuttgarter Westen frische Milch, Butter und Eier zu bringen. Die acht Kilo schweren Milchkannen trugen sie auf dem Kopf. Wahrhaftig eine tägliche „Königsetappe“.

An der ehemaligen Mühle endete der ebenso anstrengende wie unterhaltsame Trip mit viel Feuerbacher Geschichte.


INFO:
Am 14. Oktober 2023, 10 Uhr, wiederholt Jürgen Kaiser diese Tour - alle Interessierten (auch Nicht-BV-Mitglieder*innen) sind herzlich eingeladen, sich diesen Termin vorzumerken!


(FW-JK)

Veröffentlicht am 09.05.2023