Gerade vor wenigen Wochen hat zur FeuerbachNacht wieder eine Ausstellung im Neuen Gymnasium Leibniz eröffnet: „Somewhere in Space and Time“ von Samantha Augenstein, Arthur Bauer, Larissa Heim, Lothar Schiffler und Mike Woll.
Ins Leben gerufen wurde die schuleigene „Schwerpunktgalerie“ freilich vor bereits einem halben Jahrhundert und war einst Alleinstellungsmerkmal und Aushängeschild der Schule.
Fünf Künstler stellen derzeit aus und vier von ihnen sind quasi noch frisch von der Akademie. Kunsterzieherin Sonja Kalkoff zeichnet sich heute für die Ausstellungen verantwortlich und hat sich zur Aufgabe gemacht, Nachwuchstalente vorzustellen. So ist es auch dieses Mal wieder: Samantha Augenstein nimmt sich in ihren Gemälden der Orte an, an denen Menschen zusammenkommen, gewollt oder ungewollt: Bahnhöfe, Flughäfen, Wartehallen. Larissa Heim hat sich ebenfalls der Malerei und der Zeichnung verschrieben, bildet dabei aber die Natur nach: Hier ein gezeichnetes Vogelnest, dort ein Teich samt tierischer und pflanzlicher Bewohner. Vermutlich werden solche Naturdarstellungen umso beliebter werden, je mehr die allgemeine Zerstörung der Natur zunimmt.
Die drei ausstellenden Männer widmen sich dagegen alle der Fotografie. Bei Mike Woll sind es menschenleere Stadtansichten, oft auf Reisen eingefangen und zum Teil mit leicht absurdem Charakter: Dann sind die typischen amerikanischen Mobile Homes ins Schlingern geraten oder das Haus mit der Nummer 101 wird von „TohuBohu“ bewohnt. Arthur Bauer dagegen zeigt den „Baikal Blues“ und „Kazan in February“, seine Porträtfotos hallen noch lange nach, so etwa das Bild einer jungen Frau, nicht viel älter als die Oberstufenschülerinnen des Gymnasiums, aber ausgestattet mit Luxus-Täschchen und Pelzmantel.
Lothar Schiffler widerum ist kein Nachwuchstalent, sondern ein gestandener Fotokünstler aus Schorndorf mit Wohnsitz in München. Seine verblüffenden Arbeiten bilden unter anderem den Flug des Mauerseglers ab und umspannen dabei Raum und Zeit, gerade wie der Ausstellungstitel suggeriert. Möglich macht das die Technik der Iskiographie, „das Gegenteil von Photographie“, wie er in seiner Erläuterung schreibt. Viele Einzelbilder werden dabei digital übereinander gelegt und ergeben einen verblüffenden Effekt.
Die Ausstellungseröffnung fand zur Kulturnacht statt, mit fachkundiger Einführung und einer Band. Wer es schon selbst miterlebt hat, wird sich aber vermutlich ein wenig wehmütig an die Anfangsjahre der Schwerpunktgalerie erinnert haben. 1973 hatte Manfred Karl Piontek (Foto rechts), Kunsterzieher und selbst bildender Künstler, sie im Leibniz-Gymnasium ins Leben gerufen – sie war damals die erste schuleigene Galerie Deutschlands und ein echtes Prestigeprojekt, das später auch von Pionteks Nachfolger Maximilian Imkamp weitergeführt wurde. Die SchülerInnen sollten nicht nur Theorie pauken, sondern Kunst selbst und anschaulich erleben. Man verfolgte dieses Ziel mit viel Herzblut und war gut in Künstlerkreisen vernetzt.
So führte der Feuerbacher Afrika-Kenner Klaus Paysan mit seinen Ritualmasken ins Thema „Phantasie und Wirklichkeit” ein; mit Otto Dix, George Grosz und Otto Herrmann ging es um die politische und satirische Zeichnung. Ohnehin liest sich die Gästeliste der frühen Jahre wie das „Who is who” der deutschen Kunstszene: Holzschnittkünstler HAP Grieshaber und seine Lebensgefährtin, die Literatin Margarete Hannsmann, eröffneten die Werkschau um den „Basler Totentanz”.
Professor Hans Gottfried von Stockhausen, Schöpfer des Westfensters der Stuttgarter Stiftskirche, kam mit seiner Akademieklasse ins Leibniz-Gymasium und anerkannte Größen wie Paul Wunderlich, Moritz Baumgartl oder Alfred Hrdlicka stellten aus. 2013, bei einer Jubiläumsausstellung anlässlich des 40-jährigen Bestehens, hatte Piontek kämpferisch mehr pädagogischen Anspruch gefordert: „Die Schwerpunktgalerie muss mehr sein als bunte Bilder im Rektoratsgang!”. Doch die Zeiten haben sich geändert, und die Kunst ist – ganz unabhängig von der beachtlichen Qualität der jetzigen Ausstellung – trotzdem spürbar hinter die Fusion der beiden Gymnasien, den gemeinsamen Campus und auch die Namensfindung zurückgetreten.
„Somewhere in Space and Time“ ist bis 12. Mai in der Schwerpunktgalerie im vormaligen Leibniz-Gymnasium, Klagenfurter Straße 75, zu sehen. Zugänglich ist die Werkschau an Schultagen von 14 bis 17 Uhr.
Weitere Infos: www.schwerpunkt-galerie.de