Atelierbesuch bei der Künstlerin Tanja Maria Ernst, Teil 2:

Abkehr von einer Kunstwelt, die mit jener Spontaneität ringt, von der sie lebt

Zum Starten der Galerie aufs Bild klicken. Fotos: Susanne Müller-Baji, Tanja Maria Ernst Bild 1 von 4: Zum Starten der Galerie aufs Bild klicken. Fotos: Susanne Müller-Baji, Tanja Maria Ernst

Im 1. Teil haben wir die Feuerbacher Künstlerin Tanja Ernst und ihr Werk vorgestellt. Der 2. Teil unseres 3-teiligen FeuerbachGO-Portraits über die Feuerbacher Malerin beleuchtet ihre Abkehr von einem Kunstmarkt, dessen Ziel nur noch in Gewinnmaximierung zu bestehen scheint.

Die wirklich großen Bands und Interpreten der Popmusik lebten stets von ihrer Experimentierfreudigkeit und Veränderung - die Beatles von 1963 etwa waren eine völlig andere Band als die Beatles von 1970. Dasselbe gilt auch für malende Künstler - so waren der Picasso der 'blauen Phase' und der aus seinen späteren Jahren zwei unterschiedliche Maler. Solch Veränderung ist normal, notwendig und zwangsläufig, ohne sie gäbe es keine Fortentwicklung und kein Wachstum. Genau das aber scheut ein immer mehr nur auf Gewinnorientierung und -maximierung fixierter internationaler Kunstmarkt wie der Teufel das Weihwasser. Eine fatale Entwicklung.
Die Feuerbacher Malerin Tanja Ernst hat sich u.a. deshalb entschieden, der Experimentierfreude und künstlerischen Offenheit den Vorrang zu geben vor Druck und künstlerischen Zwängen - und sich kurzerhand vom Kunstzirkus verabschiedet.

Oft ist es nämlich so, dass bildenden Künstlern das Experiment mit Arbeitsweise und Thema nur so lange zugestanden wird, bis sie die für sie charakteristische Handschrift gefunden haben. Danach wird jede größere Veränderung als Gefahr für die Wertsteigerung des Oeuvre empfunden. Anders ausgedrückt: Künstler sollen nur scheinbar wandelbar sein, weil ab einem bestimmten Punkt ihrer Karriere jede zu krasse Veränderung als unberechenbar und riskant wahrgenommen wird. Was übrigens auch der Grund ist, warum das künstlerische Werk, wenn überhaupt, erst nach dem Tod des Künstlers umfassend gewürdigt wird: Weil es erst dann sicher und unverrückbar abgeschlossen ist.

Tanja Maria Ernst hat ihre eigene Position im Kunstmarkt in den vergangenen Jahren gründlich überdacht und verändert. Das habe auch mit dem Tod der Mutter zu tun, deren Sterben sie begleitet habe, erzählt sie: Vieles was bis dahin extrem wichtig gewesen sei, habe in dieser Zeit seine Bedeutung verloren. Die Verwerfungen der Pandemie-Jahre taten ihr übriges und Tanja Maria Ernst wandte sich vom Kunstzirkus ab: Sie arbeitet inzwischen ohne Galeristen, fertigt auf Auftragsbasis für einen kleinen aber feinen Kundenstamm und will ihre Werke nur noch alle paar Jahre mal im öffentlichen Rahmen präsentieren.

Als durchaus erfolgreiche bildende Künstlerin hatte sie sich bis dahin den Vorgaben des Kunstmarktes angepasst: Um bundesweit und sogar international erfolgreich zu sein, muss man mit einer der handvoll renommierten Galerien unter Vertrag sein. Was vielen Künstlern wie die Erfüllung eines innig gehüteten Traums vorkommt, ist allerdings mit einigen Bedingungen verbunden. So erwarten diese Galeristen eine gewisse Produktivität, also eine gewisse Anzahl von neuen Kunstwerken Und die ist gerade für Künstler mit einem feinteiligen Arbeitsstil nur schwer zu leisten. Außerdem gilt: Sobald es ein Künstler zu einer gewissen Bekanntheit gebracht hat, soll sich sein Stil und sein Ausdruck nur noch wenig verändern, um eine gute Verkäuflichkeit der Werke zu gewährleisten.

Beides kann bildende Künstler vor Probleme stellen: Zum einen lebt Kunst vom Experiment und von der Veränderung und es ist völlig normal, dass sich der Ausdruck und die Arbeitsweise innerhalb des schöpferischen Prozesses alle paar Jahre verändern. Genau das möchte der Kunstmarkt aber nicht: Die Arbeiten sollen weiterhin frisch und innovativ wirken, aber sich nicht zu sehr vom bisherigen Werk unterscheiden und den Wiedererkennungseffekt nicht gefährden. Auch werden die traditionelleren Techniken wie die Öl- oder auch die altmeisterliche Tempera-Malerei oft als „wertiger“ angesehen, als etwa die „flüchtigere“ Aquarelltechnik. Ein Wechsel der Arbeitsweisen wie bei Tanja Maria Ernst würde also von den meisten Galeristen nicht gerne gesehen. „Außerdem arbeite ich sehr langsam“, erzählt die Feuerbacherin: „Es ist ist mir gar nicht möglich in den gewünschten Stückzahlen zu produzieren.“ Zumal sich ein solcher Zeit- und Arbeitsdruck sofort in der Qualität der Gemälde widerspiegeln würde.

Hinzu kommt: Die Suche nach den passenden Ausstellungsräumlichkeiten gestaltet sich für professionelle Künstler schwieriger als noch vor einigen Jahren, auch dies mit eine Folge der Corona-Jahre: Es gibt überwiegend nur noch Ausstellungsmöglichkeiten für Hobbymaler und dann wieder für die ganz großen Namen des Kunstmarktes, die von ihren Galeristen etwa bei der Biennale von Venedig präsentiert werden. Wer professionell arbeitet, aber nicht zur Créme de la Crème der Kunstszene gehört, findet kaum noch ansprechende Ausstellungsräume. Hinzu kommt: Die wenigen guten Präsentationsmöglichkeiten verlangen zunehmend eine Gebühr, die nicht, wie zuvor, an Verkäufe gebunden sind. Das heißt, das finanzielle Risiko liegt allein bei den Künstlern, die den allgemeinen Sparzwang jedoch deutlich stärker spüren, als die meisten anderen Berufsgruppen.

Mehr demnächst hier in Teil 3

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Text: Susanne Müller-Baji/feuerbach.de


Aus FeuerbachGO, Ausgabe 05/2024
Homepage der Künstlerin: www.mariaernstart.com

Veröffentlicht am 29.07.2024