Feuerbach hatte auf Detlef Dörner gewartet - und umgekehrt. Auch wenn das den Beteiligten zu Beginn vielleicht noch gar nicht bewusst war. Aber es hat von Anfang an gepasst, und es passt auch jetzt noch. Gerade hat der musikalische Tausendsassa Dörner sein 40-jähriges Kirchenmusik-Jubiläum gefeiert, in der katholischen Kirchengemeinde, aber auch im Stadtbezirk selbst.
Seine Stelle trat Dörner am Sonntag, den 1. Juli 1984 an, und das war zunächst so unspektakulär wie es klingt: „Das Studium der Kirchenmusik ist eigentlich ein duales Studium“, erläutert Dörner. In der Theorie lief alles gut, „jetzt meinte mein Professor, ich solle das alles auch mal in der Praxis anwenden.“ Diese Gelegenheit bot sich in Feuerbach. Nebenberuflich erst, und dann hauptberuflich. Und das erwies sich als großes Glück: Es gab im neuen Wirkungsbereich kaum Erfahrungswerte und egal, welche Ideen der junge Kirchenmusiker präsentierte, sie waren neu und unverbraucht. Keine Diskussionen, dass man das noch nie so gemacht habe. Dörner wollte und er durfte – und Ideen hatte er auch.
Wie ungewöhnlich die waren, zeigte sich im Laufe der Zeit: Für Verblüffung sorgten zum Beispiel die „Vexations“ von Eric Satie, die Dörner in 2000 und 2008 in St. Josef umsetzte: „Vexations“ bedeutet „Quälereien“. Sie bestehen zwar nur aus nur drei Notenzeilen, die noch dazu dasselbe Thema variieren. Allerdings weist der Komponist an, das Stück 840 mal zu wiederholen und in sehr langsamem Tempo (»trés lent«) zu spielen. Muss man mal probiert haben, mag sich Dörner gesagt haben. Jedenfalls lud er zu einer heute noch legendären Nachtwache in St. Josef. Die Zuhörer kamen für eine Weile, hörten zu und gingen dann auch wieder, ganz nach Belieben. Irgendwann morgens endete der Versuch, doch da hatte man es schon längst aufgeben mitzuzählen. Aber Dörner war nun der Mann fürs Ungewöhnliche. Und das ist über die Jahre und Jahrzehnte auch so geblieben.
Anlässlich der ersten Feuerbacher Kulturnacht 2007 ging Dörner fast ein Jahr lang mit dem Mikrofon durch den Stadtbezirk und suchte nach dem einzigartigen, für Feuerbach unverwechselbaren Klang. Gefunden hat er ihn nicht, sagte er später. Aber es entstand eine einstündige und durchaus humorvolle Klangcollage. Wobei sich schon hier zeigte: Es ist nicht das Einzelne, sondern das Zusammenspiel von Vielem. Und das zog sich fortan wie ein roter Faden durch seine Vorhaben: Er begründete eine Reihe von „Ich kann noch nicht singen“-Chören, mit denen Anfängern niederschwellig der Weg in den Chorgesang geebnet wurde.
Und dann der reguläre Kirchenchor, eine weitere von Dörners Erfolgsgeschichten: 1984 übernahm er den Chor mit 30 Sängern, über die Jahre wuchs er auf 70 Mitglieder und selbst die schwierigen Corona-Jahre konnten ihn nicht ausbremsen. Aktuell zählt der Chor von St. Josef 56 SängerInnen und ist im Moment der größte katholische Kirchenchor Stuttgarts. Ein weiterer gegenseitiger Glücksfall ist auch der in Freiberg angesiedelte Chor der italienischen Gemeinde, der es sich nun ebenfalls nicht nehmen ließ, zum 40-jährigen Jubiläum zu singen. 1988 suchte man dort einen Chorleiter. Und Detlef Dörner, damals noch im Studium, hatte bereits drei Chöre zu betreuen. „Aber auch hier war ausschlaggebend, dass die Sängerinnen und Sänger – ich kannte sie schon durch gemeinsame Auftritte – alle sehr nett waren und die Stimmung fantastisch war.“
Und dann sind da noch Dörners unkonventionelle Auftritte außerhalb der Kirchenmusik: Ob er ausgerüstet mit seinem Maskottchen, einem blauen Plüschhund, und einem aufgebockten Piano den Höflesmarkt aufwertete. Oder die Weltgrößen der japanischen Shakuhachi-Bambusflöte in den Stadtbezirk holte und selbst in traditioneller Tracht und mit einer Bienenkorbkopfbedeckung angetan durch die Feuerbacher Kulturnacht schritt. Vielbeachtet sind auch seine Kompositionen, etwa der Zyklus „Vom Werden und Vergehen“ zu chinesischen Zen-Gedichten, die Detlef Dörner auch gleich in einem stimmungsvollen Video umgesetzt hat. Und so war es oft: Das musikalische Nachdenken über die Endlichkeit zog Veranstaltungen im kirchlichen Raum nach sich, wie die Vorführung des Films „Nokan – die Kunst des Ausklangs“. Weil das eine immer das andere befruchtet.
Detlef Dörner ist einer, der sich in keine Schubladen packen lässt und er hat auf Anhieb eine Wirkungsstätte gefunden, die ihm auch nie Schubladen zuwies. Das ist selten, aber wenn es passiert, ist es meistens sehr erfolgreich. Bleibt nun aber die Frage, wie es nach 40 Jahren Kirchenmusik in St. Josef weitergeht: Denkt er nun etwa über das Aufhören nach? Sein Auftrag umfasse weitere drei Jahre, „das sind rund 1000 Tage“, sagt er und klingt so, als ob er entschlossen ist, sie bestmöglich mit Leben und Musik zu erfüllen. Und dann werde man sehen: „Ob ich
weitermache, ob ich anders weitermache oder ob ich aufhöre.“
Mit der FeuerbachGO zusammen hat er vor einem Jahr die „Musikinsel“ auf dem Höflesmarkt bespielt: Wir hoffen, dass die Zeichen auf jeden Fall auf „Weitermachen!“ stehen und freuen uns auf alles, was da kommt.