Des Kaisers neues Büchle:

"Des hett I net denkt! – Was Schwaben weltweit vollbracht haben"

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Jürgen Kaiser und der Stadtbezirk – das gehört zusammen: Ob er nun als "Büttel von Feuerbach" an Geschichte und Geschichten von einst erinnert oder mit der Feuerbacher Stiftung 'Zeit für Menschen' seinen Teil zur örtlichen Kultur beiträgt...

Der Pfarrer und Medienmann im Ruhestand ist überdies Autor einer Reihe von im Evangelischen Verlag Stuttgart erschienenen Büchern, die dem Wesen der Schwaben nachspüren, von „verhockt“ bis „Tüftler“. Ende letzten Jahres ist nun sein neuestes Werk erschienen: „Des hett i net denkt! – Was Schwaben weltweit vollbracht haben“ und es ist ein hervorragendes Geschenk für alle Schwaben und solche, die es erst noch werden wollen.

Der neue Band basiert im Wesentlichen auf der Kolumne, die Jürgen Kaiser regelmäßig im Evangelischen Gemeindeblatt für Württemberg veröffentlicht: Hier kommt er den Schwaben und ihren Errungenschaften draußen in der großen weiten Welt auf die Spur, erklärt dabei aber auch humorvoll, warum Schwaben eben einfach so sind, wie sie sind. Ganz nebenbei erfährt man bei der Lektüre den Ursprung so mancher Redensart – zum Beispiel „blaumachen“ oder „Fisematenten machen“ – und so mancher Brauch wird ebenfalls beleuchtet.

Besonders knitz belegt Kaiser aber auch, dass so manche Erfindung auf einen schaffigen Schwaben zurückging, etwa im Kapitel „Nürnberg hat übernommen“:

„Lebkuchen, Springerle und in Reutlingen Mutscheln – es wird Weihnachten und Silvester. Da kauft man Elisen-Lebkuchen aus Nürnberg und schwelgt. Aber es gibt eine bittere Erkenntnis für die Franken: Erfunden wurden die Lebkuchen in Ulm. Jedenfalls, wenn es nach den Urkunden geht. Am 17. März 1293 wird „Cunrat der Lebzelter“ als Bürge in einem Vertrag genannt. Damit ist belegt, dass die Schwaben aus Ulm den Lebkuchen erfunden haben. „Zeidler“ nannte man im Mittelalter die Honigsammler. Sie waren hinter den Wildbienen und ihren Nestern her und besorgten das einzige Süßungsmittel der Alten Welt. Schon die Römer kannten Brotfladen, die mit Honig bestrichen wurden: „panis mellitus“ nannten sie das süße Gebäck. Der Fladen hieß „libum“ und daraus wurde dann der Lebkuchen. Streute man noch mehr Gewürze darüber, wurde daraus der „Pfefferkuchen“ – einfach, weil man damals alle Gewürze „Pfeffer“ nannte, kamen sie doch aus dem Orient und waren sehr teuer.
Die Nürnberger Lebkuchen sind heute auf der ganzen Welt zu kaufen, weil die Nürnberger die Schwaben ausbremsten. Sie erwarben im Mittelalter vom Kaiser das Privileg, im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation allein mit Honig handeln zu dürfen. Da die Ulmer nun ihren Honig aus Nürnberg beziehen mussten, waren sie nicht mehr marktfähig. Die Franken hatten wieder mal über die Schwaben gesiegt.“
Und so geht es Schlag auf Schlag: Warum die Katholiken lange „nur“ ihre Weihnachtskrippen hatten und bei den Protestanten mit der Reformation das Tannengrün Einzug hält, erfährt man. Was es mit den Springerle auf sich hat. Und auch ein anderes, typisch schwäbisches Backwerk, der Hefezopf findet Erwähnung, mit seiner Entstehungsgeschichte, die viel tiefer reicht.

Aber es gibt auch viel Nachdenkenswertes im Buch, ganz besonders mit den wunderbaren schwäbischen Biografien, die darin aufgezeigt werden. Oft gehen sie so: Schwabe oder Schwäbin hat zuhause keine Zukunft, wegen der restriktiven Gesetze im alten Württemberg und der überkommenen Erwartungen der Gesellschaft an ihre jungen Leute. Also sucht er oder sie sein Heil in der Ferne, wo dann prompt die Eigenschaften durchschlagen, die die beengten Verhältnisse daheim erst geformt haben: Mut, Erfindergeist und Durchhaltevermögen.

So gelang Wilhelmine Friederike Moscherosch (1868-1961) der Sprung vom Tübinger Dienstmädchen zur amerikanischen Businessfrau mit eigener Halle bei der Weltausstellung 1933 in Chicago: Fingerfertigkeit, die Liebe zum Theater und zu den deutschen Märchen machten es möglich. Aus der neuen Heimat hat sie dann die alte Heimat unterstützt, 1923 zum Beispiel das erste Sindelfinger Krankenhaus auf dem Goldberg gestiftet. Noch im Alter studierte sie Jura, bekam den Doktorhut und kämpfte für die Rechte der Frauen. „Nach einem schweren Schlaganfall starb sie 1961. In den Jahren nach dem Schlaganfall hat sie nur noch schwäbisch gesprochen“, heißt es im Kapitel weiter. Es sind Geschichten wie diese, die noch lange in Erinnerung bleiben und Kaisers Buch so lesenswert machen.



Von Susanne Müller-Baji



„Des hett I net denkt! – Was Schwaben weltweit vollbracht haben“, ISBN 978-3-948882-46-4, ist im Evangelischen Verlag Stuttgart erschienen und kann im Buchhandel bezogen werden.
(Buchcover re.: Evangelischer Verlag Stuttgart)



Aus FeuerbachGO 13/2024

Veröffentlicht am 25.02.2025