Begehbares Feuerbacher Gedächtnis

Alamannisches Gräberfeld

Stuttgarter Straße/Eychstaffel

Plan des Gräberfeldes (nach Wikipedia) Bild 1 von 6: Plan des Gräberfeldes (nach Wikipedia)

Gründer des Vorgängerdorfes von Feuerbach und damit Vorfahren der Feuerbächer waren die Alamannen (Synonym: Alemannen), deren Herkunft und Wirkung von historischem Interesse sein sollte.
Über die Frage der Begriffe „Alamannen“ und „Alemannen“ schreibt der Sprachwissenschaftler Bruno Boesch (1911-1981): "Von wem immer der Name der Alamannen ausging, er ist nur im gelehrten, römischen und frühmittelalterlichen Schrifttum belegt; volkssprachliche Zeugnisse fehlen." Die Eigenbezeichnung der Alamannen sei Sueben. Vom 10. Jahrhundert an geriet der Name Alamannen weitgehend in Vergessenheit. Der Name Schwaben ist, so Bruno Boesch, "von nun an im ganzen Mittelalter der vorherrschende Gebiets- und Volksname für den Raum zwischen Vogesen und Lech, den Alpen und der fränkischen Stammesgrenze." Erst die Humanisten verwenden den Namen Alamannen (oder auch Alemannen) wieder. Schließlich machte Johann Peter Hebel 1802 mit seinem Werk „Allemannische Gedichte“ den Begriff Alemannisch einem größeren Publikum bekannt.
Die Alamannen waren ein Verband elbgermanischer Stämme (der bedeutendste davon waren die Sueben), welche sich um 200 n.Chr. zusammenfanden, um vermutlich gemeinsam in das damals hochentwickelte und vom Limes geschützte, römische Dekumatland (mit einem umfangreichen Straßennetz und etwa 2000 Gutshöfen / villae rusticae) einzudringen. Trotz einiger Abwehrversuche der Römer eroberten und zerstörten die Alamannen anno 259/60 den Obergermanisch-rätischen Limes (siehe Karte Obergermanisch-rätischer Limes) und verdrängten nach und nach die keltisch-römischen Bewohner. In der Folgezeit wurden die Ausbreitungsbewegungen der Alamannen immer wieder durch kriegerische Auseinandersetzungen mit den Römern unterbrochen, ohne dass die Besiedelung der eroberten Gebiete eine Einschränkung erfuhr. Im 5.Jahrhundert lebten sie nicht nur im Neckarland, sondern hatten sich auch nach Süden und insbesondere nach Westen ausgebreitet, womit sie in Berührung mit den ebenfalls expansiven, fränkischen Merowingern kamen. So musste eine Entscheidungsschlacht im Jahre 496/497 die Machtverhältnisse klären, der Sieg fiel an die Franken. Heute spricht man von der „Schlacht bei Zülpich“ (Wollersheimer Heide), obwohl die Quellen den Ort der Schlacht nicht belegen. Der Merowingerkönig Chlodwig (466-511) ließ sich nach diesem militärischen Erfolg durch den Bischof Remigius von Reims (436-533) christlich taufen. Damit wurde die Christianisierung der Franken und Germanen entscheidend gefördert.
Das eroberte Stammesgebiet der Alamannen, Alemannien genannt, kam nun unter den Einfluss der Franken, obwohl die alemannischen Herzöge immer wieder nach Selbstständigkeit trachteten.
Die zahlreicher werdenden Aufstände, insbesondere des Herzogs Theutbald (Theobaldus), forderten letztlich die geballte Heeresmacht der Franken heraus, bei denen es im 7.Jahrhundert einen Machtwechsel von den Merowingern hin zu den Vorgängern der Karolinger, den „Major Domus“ genannten Hausmaiern, gekommen war. Die Söhne des Major Domus Karl Martell, Karlmann und Pippin (Vater von Karl dem Großen) besiegten immer wieder die vereinigten Heere der Alamannen und Bayern. Letztlich griffen sie aber zu einer List und forderten anno 748 den des Treubruchs bezichtigten Herzog Theutbald und seine „Großen“ auf die Mal-(Gerichts-) Stätte bei Cannstatt (ein noch im Mittelalter gebräuchlicher Gerichtsplatz auf der Altenburger Höhe zwischen Cannstatt und Zuffenhausen, genannt „Beim Stein“).
Dort wurden sie gefangen genommen, alle zum Tode verurteilt und hingerichtet. Damit wurde das Herzogtum Alemannien aus einem mit Franken verbündeten Staat zu einem unmittelbaren Teil des Frankenreiches. Begünstigt durch diese Eingliederung gab es später auch eine dynastische Verbindung zwischen den Alamannen und Franken, denn die (Ur-)Enkelin Hildegard des in Cannstatt residierenden Herzogs Gotefrid (655-709) wurde 771 die dritte Ehefrau Karls des Großen und Mutter des späteren Kaisers Ludwig des Frommen.
Zurück zur Lokalgeschichte: Um das Jahr 500 n.Chr. kamen die Alamannen auch in das Feuerbacher Tal, von ihnen, den Vorfahren der Feuerbächer, wurde das Dorf Feuerbach gegründet, welches zu den ältesten alamannischen Siedlungen Württembergs gehört. Stadtpfarrer Richard Kallee (1854-1933) berichtet, dass zu jener Zeit „in Stuttgart erst ein Haus gestanden habe, nämlich der Fohlenstall im Stutengarten“. Um das Jahr 550 bestand dieses Dorf bereits mit 30, um 700 mit 100 Bewohnern. Der Ortsname Feuerbach ist erst nach einer ganzen Reihe verschiedener Varianten um das Jahr 1800 entstanden.
Das erbliche Amt des „Zwing und Bannes“ war bei den Alamannen vorherrschend, es führte später zur Ausbildung des Orts-Adels. Nach Fuchs/Raab, Wörterbuch der Geschichte: „Die in ihrem Ursprung wie in ihrer Bedeutung ungeklärte mittelterliche Befehls- und Strafgewalt „Zwing und Bann“, insbesondere der niederen Gerichtsbarkeit, d.h. der geistlichen oder weltlichen Grundherren, später auch der dörflichen Herrschafts- und Gerichtsgewalt (vor allem in SW-Deutschland und der Schweiz bzw. dem alamannischen Stammesraum). Sie wurde zum Kern der öffentlich-rechtlichen Gemeindehoheit und umfasste Ämterbesetzung, Dorfflurverwaltung, Ansprüche auf Dienste und Abgaben, Gewerbeordnung.“
Zwischen etwa 500 und 750 n.Chr. haben die Alamannen in dieser Dorfgemeinschaft gelebt und ihre Toten in dem Bereich Kappeläcker und Kappelfeld bei der oberen Stuttgarter Straße (siehe Plan des Gräberfeldes) beerdigt. Dieser historisch bedeutende Bereich ist heute weitestgehend überbaut.
Der Archäologe Dr. Holger Baitinger beschreibt die Begräbnisstätte „Kapellenäcker“ wie folgt: „Alamannisches Reihengräberfeld 7./8.Jh. mit 160 dokumentierten Bestattungen, zahlreichen Steinplattengräbern und gemauerten Grüften. Ausgrabungen 1904/05, 1910/12, 1923, 1927, 1982, 1991. Bronzemünze aus der Zeit Pippins (715-768) wurde im Grab 61 (Bild 5) gefunden, also heidnische Begräbnisse der Alamannen noch im 8.Jh. Das ist die Zeit, in der man den Beginn des Christentums in Feuerbach annahm. Der Alamannenfriedhof bestand drei Jahrhunderte (5.-8.Jh.).“
Nach der ersten Entdeckung der alamannischen Begräbnisstätte durch Landeskonservator Prof. Dr. Gradmann im Jahre 1862 wurden hier bis Ende des 19.Jahrhunderts immer wieder Gräber gefunden.
Ab 1904 befasste sich dann auch Stadtpfarrer und „Hobby“-Archäologe Richard Kallee mit den Ausgrabungen (siehe Bilder 3 bis 5) in der Schlosserstraße (heute Staufeneckstraße), die er bis 1912 „rechts und links der Rosenstraße (heute Stuttgarter Straße), bei der Sandherrschen Gärtnerei, beim „Bierkeller“ und beim Aufgang zur oberen Eichstraße“, wie Kallee selbst berichtet, systematisch fortsetzte (siehe Plan des Gräberfeldes). Es handelte sich um drei Reihengräber aus dem 7. und 8. Jahrhundert, in denen sich Steinsärge befanden. „104 davon habe ich gefunden“, berichtet Kallee. Diese Alamannen waren noch nicht christlichen Glaubens, erst Ende des 8. Jahrhunderts begann hier die Christianisierung.“ Kallee dokumentierte 760 Fundstücke, die er mit großer Sorgfalt sicherstellte: Totenschädel und Gebeine, Münzen, Tonscherben, Kämme, Halsbänder, Gürtelschlösser, Schwerter, Lanzen, Pfeile und Sporen.
Der Gesundheitszustand von Richard Kallee erlaubte dann keine weiteren Ausgrabungen, bis dann 1923 das urgeschichtliche Institut Tübingen weitere vier Gräber aushub. Im April 1927 folgten dann weitere 16 Gräber unter Leitung des Prähistorikers Dr. Walther Veeck (1886-1941). Zuletzt deckte noch der alte Mitstreiter von Kallee, Oberstabsarzt Dr. Reinhold Blind, weitere 16 Gräber auf, damit wurden die Grabungen eingestellt.
Das ganze Gräberfeld hat die Form eines Dreiecks. Gotthilf Kleemann berichtet, „dass die Nachkommen stets zu Füßen ihrer Eltern bestattet wurden und alle Toten in der gleichen Richtung lagen: das Fußende gegen Osten, das Kopfende gegen Westen, der Blick also zur aufgehenden Sonne gerichtet.“
Der Wichtigkeit dieses Begräbnisfeldes entsprechend wurde von den Wissenschaftlern weiter geforscht: So führten die Untersuchungen von Ursula Bobon und Matthias Knaut (siehe Plan Ausgrabungsjahre) zu folgendem Ergebnis: „Die starke Beraubung erschwert die Datierung und Belegungsabfolge, zudem ist die Lage einzelner Gräber zueinander nicht gesichert. Prof. Oscar Paret (1889-1972), der 1937 die Grabungsunterlagen bearbeitete, zählte den Friedhof zu den ärmeren im Lande, da er wie auch die Ausgräber zuvor die Beraubung nicht in Betracht zog. Die Ergänzung der Restinventare lässt einen gewissen Wohlstand der Bestatteten während des ganzen 7.Jahrhundert erkennen. Von überdurchschnittlichem Wohlstand zeugen die spätmerowingerzeitlichen Gräber.“

Quellen: Christoph Friedrich von Stälin, Ploetz, Kleemann, Kallee, Blind, Baitinger, Bobon/Knaut, Bruno Boesch (www.noth.net/h13suevia.htm)

Mehr Informationen:
www.bv-feuerbach.de