Begehbares Feuerbacher Gedächtnis

Elsenhans-Haus

Klagenfurter Straße (28)

Rechts vorn: Elsenhans-Haus 1890 (Aquarell: A.Diez) Bild 1 von 10: Rechts vorn: Elsenhans-Haus 1890 (Aquarell: A.Diez)

Zwischen der Klagenfurter Straße 26 und 30 stand bis zu seiner Zerstörung das Haus Elsenhans. Hier wohnte -damals noch in der Marktstraße 28 -  bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Familie Elsenhans, von der einige Mitglieder über die Grenzen Feuerbachs  hinaus bekannt wurden (Bild 1).
Im Jahre 1873 gehörte das Haus dem Metzger Friedrich Berger (Bild 6).
Das Haus kam später in den Besitz der Metzgersfamilie Herrmann, welche es im Jahre 1880 aufstocken (Bilder 6 und 7)  und 1908 ein Schaufenster einbauen ließ (auf Bildern 2 bis 4 und 8 erkennbar).
Im Zweiten Weltkrieg  wurde das Haus gleichzeitig mit dem Alten Rathaus total zerstört und danach nicht wieder aufgebaut. So wurde durch die 1955 eingerichtete Rendlenstraße die Verbindung der Klagenfurter Straße  mit der Unteren Querstraße ermöglicht (Bild 5). 

Der Familiegründer, Balthasar Elsenhans, geboren 1731 in Schnaitheim bei Heidenheim, kam nach zwanzig Jahren im württembergischen Militärdienst als Jäger und Grenadier 1766 nach Feuerbach, wo es ihm zunächst nicht leicht fiel, Fuß zu fassen. Nachdem er aber doch eine Stelle als Kelterknecht erhalten hatte, verheiratete er sich mit Anna Gehr und erwarb das Bürgerrecht. 1777 wurde dem Paar ein Sohn geboren, der in den Annalen Feuerbachs einen Ehrenplatz einnimmt. 
Dieser, Johannes Elsenhans, erlernte das Schumacherhandwerk und brachte es rasch zu hohem Ansehen in der Gemeinde. Er bekleidete zahlreiche öffentliche Ämter, bevor er 1814 zum Schultheißen gewählt wurde. 27 Jahre lang lenkte er die Geschicke Feuerbachs in schwierigen Zeiten und bewies dabei große Umsicht und Tatkraft. Er kümmerte sich um den Straßenbau, verbesserte die Nutzung der landwirtschaftliche Flächen, erwarb 1829 von der Universität Tübingen das Bandhaus (in der heutigen Sartoriusstaße), das er 1841 zum Schulhaus umbauen ließ, und brachte 1834/35 auch die beiden Keltern in Gemeindebesitz. Vorbildlich war auch sein soziales Engagement. In den schlimmen Teuerungs- und Hungerjahren nach 1816 sorgte er für die Unterstützung notleidender Familien, und als 1827 eine Masernepidemie im Ort grassierte, ließ er, sozusagen als frühe Vorgängerin der „Schulspeisung“, den Feuerbacher Kindern täglich eine Fleischsuppe reichen.
Johannes Elsenhans hatte 13 Kinder aus zwei Ehen, für deren Fortkommen er gewissenhaft besorgt war.
Die bitteren Konsequenzen, die seine beiden ältesten Söhne durch ihre Teilnahme an der badischen Revolution hinnehmen mussten, hat er nicht mehr erlebt. Er starb 1841 an einem Schlaganfall.
Wie sehr die liberal-demokratische Gesinnung, die sich nach dem Wiener Kongress im Bürgertum von Württemberg und Baden immer mehr ausbreitete, im Hause Elsenhans eine Rolle spielte, ist nicht mehr festzustellen. Tatsache ist jedoch, dass Ludwig Uhland in den Jahren zwischen 1812 und 1820 häufiger Gast im Feuerbacher Pfarrhaus war und dass sowohl Johann Michael Elsenhans (1803 – 1882) als auch Ernst Elsenhans (1815 –1849) als Theologiestudenten in die Tübinger Burschenschaft Germania eintraten und wichtige Führungspositionen einnahmen. Bekanntlich war die Germania die Verbindung Uhlands. Hier herrschte der freiheitlich demokratische Geist, der von den Behörden von Anfang an mit Argwohn beobachtet wurde.
Johann Michael Elsenhans wurde Pfarrer in Klosterreichenbach und geriet in diesem Amt in die Wirren des badischen Aufstands. Geprägt von Fortschrittsglauben und Verantwortungsgefühl für seine Gemeindeglieder gründete er einen Volksverein, wie sie damals vielerorts entstanden, nahm aber selber an keinen Kampfhandlungen teil. Er versuchte eher mäßigend auf seine Mitbürger einzuwirken, vor allem als er sah, dass die Sache verloren war. Dennoch stufte man ihn als Rädelsführer ein und verurteilte ihn wegen „Mitanstiftung und Aufforderung zum Aufruhr“ zu acht Monaten Festungshaft. In Wirklichkeit musste er aber 690 Tage im Gefängnis der Festung Hohenasperg verbüßen. Sein Pfarramt verlor er, was ihn, den Vater von fünf Kindern, schwer traf. Er trug sich mit Auswanderungsgedanken, hatte aber nicht die Mittel,  dieses Vorhaben durchzuführen.
Im Jahre 1856 wurde er wieder eingestellt und war dann bis zu seiner Zurruhesetzung Pfarrer in Niederhofen bei Brackenheim. Er starb hier in Feuerbach, 79 Jahre alt.
Ernst Elsenhans ist der berühmteste Sohn der Familie. Heißblütiger und kompromissloser als sein älterer Bruder musste er sein Engagement mit dem Leben bezahlen. Früh gab er die Theologie auf. Auch ein kurzer Abstecher in die Medizin befriedigte ich nicht. Schon als Student geriet er in Konflikt  mit der Obrigkeit und musste sich in die Schweiz absetzen. Nach dem Tod des Vaters auf sich allein gestellt, schlug er sich als Hauslehrer durch oder, wie er sich hinfort nannte, als „Literat“. Das heißt, er machte Übersetzungen und schrieb, vor allem, für Zeitungen. Nachdem die Luft wieder rein war, zog es ihn ins Badische, wo es politisch wesentlich mehr gärte als in Württemberg und wo er in der radikalen „Mannheimer Abendzeitung“ ein Forum vorfand, in dem er eine scharfe Feder führen konnte und in der Tat auch führte. Der „schwäbische Feuerkopf“, wie man ihn bald nannte, wurde sowohl in der Wahl seiner sprachlichen Mittel als auch in seinen politischen Forderungen immer drastischer. Im Jahre 1847 übernahm er die Redaktion der Heidelberger Zeitung „Die rote Republik“. Als er dort die Soldaten zur Befehlsverweigerung aufrief, falls durch ihren Einsatz die Freiheit des Bürgers gefährdet sei, schlug das Regime zurück. Er wurde zu einer achtmonatigen Haft auf der Festung Kislau verurteilt. Die Dauer der Strafe und die schlimmen Haftbedingungen erbitterten ihn zutiefst. Er kam frei, weil der badische Aufstand inzwischen offen ausgebrochen war. Sofort schloss er sich -in der Funktion eines zweiten Sekretärs - der Revolutionsarmee an, obwohl er von militärischen Dingen nichts verstand und weder Uniform noch Waffen trug.
Mit dem Rest der aufständischen Truppen wurde er in der Festung Rastatt eingeschlossen, wo er mit allen Mitteln versuchte, den Durchhaltewillen der Bürger und der Besatzungstruppen zu stärken. Er gründete den „Club für den entschiedensten Fortschritt“, der jede Art von Kapitulation verhindern sollte, und er gab - als sein alleiniger Beiträger - jene Zeitung heraus, die ihn berühmt machen sollte, den „Festungsboten“ (Bild 9). Darin erweist er sich nicht nur als großer Idealist, sondern auch als begabter Theoretiker aus dem Geist des Frühsozialismus. Vor allem nahm er mit immer rabiateren Kommentaren zur aktuellen Lage Stellung. Dabei griff er massiv die immer zögerlicher werdenden Verteidiger an, besonders aber die preußischen Belagerer und ihren obersten Befehlshaber, den Kronprinzen Wilhelm, den er mit dem Schimpfwort „Kartätschenprinz“ empfindlich traf.  Damit war sein Schicksal besiegelt.
Als die Festung dann auf Gnade oder Ungnade fiel, hatte man schon auf ihn gewartet. Er war der zweite Angeklagte, der vor das Standgericht treten musste, das ihn wegen Hochverrat zum Tod durch Erschießen verurteilte.
Dies war ein Schand- und Willkürurteil. Objektivität war von vornherein ausgeschlossen. Das Gericht bestand außer dem Staatsanwalt aus lauter Preußen zum Teil niederer Ränge. Ein Zivilverfahren wurde dem Angeklagten nicht zugestanden. Elsenhans, trotzig und stolz, bekannte sich als Republikaner und sagte, er sei bereit zu sterben.
Das Urteil wurde gleich am nächsten Morgen vollstreckt. Erst 25 Jahre später vermerkte ein einfaches Blechschild seinen Namen und Todestag. Und nach 50 Jahren stiftete man endlich einen Granitblock (Bild 10) zu Ehren der 1849 in Rastatt hingerichteten Freiheitskämpfer. An vorderster Stelle steht:
Am 7. August: Elsenhans, Ernst, Literat von Feuerbach

Es konnte nicht ausbleiben, dass Ernst Elsenhans von den verschiedensten politischen Richtungen in Anspruch genommen wurde und wird und dass man ihn als Freiheitskämpfer  zum Mythos verklärt. Auch nach mehr als 160 Jahren ist ein unvoreingenommener Umgang mit seiner Person offenbar immer noch nicht möglich. Der Gemeinderat der Stadt Rastatt konnte sich nicht dazu entschließen, eine Schule nach ihm zu benennen. Aber in Trauer und Zorn über das grausame Unrecht, das man ihm antat, sind sich wohl alle Menschen einig. 
Ein dritter Sohn aus der Familie hat sich ebenfalls am badischen Aufstand beteiligt: Carl Friedrich Elsenhans, geboren 1822. Über ihn ist nicht viel in Erfahrung zu bringen. Er ist in Ungarn verschollen.
Wilhelm Ludwig Elsenhans (1824 - 1895 ) studierte Theologie und wurde Pfarrer an verschiedenen württembergischen Gemeinden, zuletzt in Rommelsbach. Er erwarb sich einen gewissen Ruhm als Verfasser einer Gedichtsammlung mit dem Titel „Der Herr ist gut“. Dieses 1894 erschienene Büchlein wird sogar von Rudolf Krauß in seiner „Schwäbischen Literaturgeschichte“ freundlich gelobt. Es enthält das ganze Gegenteil von Bruder Ernsts  politischen Entwürfen: eine sauber gereimte, idyllische Welt, gespeist aus württembergisch-pietistischer Tradition, in der alles seine Ordnung hat.
August Friedrich Elsenhans (1827 –1883) brachte es zu einer angesehenen bürgerlichen Laufbahn als Professor und Turnlehrer an  der Realanstalt in Stuttgart (heute Friedrich-Eugens-Gymnasium).

Mit Sicherheit ist die Familie Elsenhans eine der interessantesten, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Feuerbach gelebt hat und von hier ausging. Fast alle Facetten des schwäbischen Charakters finden sich in ihr vereint.
Über die Frauen in der Familie, bestimmt ähnlich starke Persönlichkeiten wie die Männer, ist bisher wenig bekannt. Hier wäre noch wichtige Quellenarbeit zu leisten.

Zu Ehren der Familie Elsenhans ist im Jahre 1938 die Schreinerstraße in Elsenhansstraße umbenannt worden.

Textbeitrag: R. Albrecht

Quelle: Stadtarchiv Stuttgart, WIKIPEDIA

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