Begehbares Feuerbacher Gedächtnis

Pfarrhaus

Walterstraße 16

Skizze des alten Pfarrhauses (Bild: Archiv Rieker) Bild 1 von 10: Skizze des alten Pfarrhauses (Bild: Archiv Rieker)

Die Liste der Feuerbacher Kulturdenkmale beinhaltet auch das in der Walterstraße 16 (früher: Kirchstraße) gelegene Pfarrhaus der evangelischen Stadtkirche.
Der heutige Straßenname erinnert an den ersten 1272 urkundlich nachweisbaren Feuerbacher Pfarrer namens „Walterus, plebanus (Leutpriester) in Vurbach“, der als Kirchherr in Feuerbach tätig gewesen ist.
Als Baujahr des Pfarrhauses  wird 1756 angegeben, hingewiesen wird auf den Barock-Stil, auf das massive Erdgeschoss sowie auf das Fachwerk-Obergeschoss. Die Geschichte dieses denkmalgeschützten Hauses hat jedoch nicht erst im Jahre 1756 begonnen.
Im Jahre 1281 übergab Kloster Hirsau, wohl aus einer wirtschaftlichen Notlage heraus, seine Feuerbacher Besitztümer (Kirchenzehnt und Patronatsrecht einschließlich Widdumhof) an das Kloster Bebenhausen. Dieser nicht als Gebäude nachgewiesende Widdumhof, welcher das Ausstattungsgut der Kirche, Gebäude, Äcker und Wiesen, verwaltete, war nach einer ohne Quelle belegten Vermutung des Stadtpfarrers Richard Kallee (Bild 7) einst der Sitz der Feuerbacher Ortsherren. Dieser Hof habe „an der Stelle dieses Pfarrhauses gestanden, dessen Lage auf einem Bergkegel gut zu verteidigen war. Zusammen mit der Kirche wurde dieser Platz von einer starken Mauer umgeben, deren Reste noch im 20. Jahrhundert zu sehen waren.“ Die Herrenhaus-These von Kallee ist jedoch durch eine Urkunde aus dem Jahre 1281 widerlegt worden, welche den Standort des Sel-/Klosterhofes in der heutigen Klagenfurter Straße 32-34 ortet. Wenn der Sitz früherer Dorfherren je auf dem Platz des Pfarrhauses gewesen wäre, dann kann es -wenn überhaupt- bestenfalls vor dem Jahr 1075 gewesen sein. Auch die abweichende Behauptung Gotthilf Kleemanns, dass der Selhof bereits in den Jahrhunderten nach der Dorfgründung an der o.g. Stelle in der Klagenfurter Straße gestanden habe, verweist auf keine bestätigende Quelle. 
Zwischen 1281 und 1316 hatten die Frauenberger Ortsherren Anspruch auf das Patronat der Kirche, der jedoch gegen ein Nutzungsrecht für den Selhof aufgegeben wurde. Von 1396 bis 1477 gingen die Rechte des Klosters Bebenhausen an das Chorherrenstift Sindelfingen. Bischof Otto von Konstanz inkorporierte erst 1421 (also drei Jahre nach Beendigung des Konstanzer Reformkonzils von 1414-1418) dem Chorherrenstift die Feuerbacher Kirche.

Graf (1495 Herzog) Eberhard V. „im Bart“ (1445-1496) übertrug im Jahre 1477 die Sindelfinger Anrechte auf das Tübinger Georgenstift und von dort erst 1482 zu deren wirtschaftlicher Ausstattung auf die Universität Tübingen, welche bis in das Jahr 1919 das Patronatsrecht behielt. Die 1534 durch Herzog Ulrich eingeführte Reformation hatte daran nichts geändert.
Der erste evangelische Pfarrer 1534 war (nach Kallee) Georg Laderer oder (nach Kunert) Adam Maier, Georg Frank übernahm dieses Amt im Jahre 1535, abgelöst wurde er im Jahre 1540 durch Pfarrer M. Johannes Prügel (oder Briegel), der vorher katholischer Kaplan in Botnang und katholischer Pfarrer in Feuerbach gewesen ist. Der bekannteste der ersten evangelischen Pfarrer war von 1556 bis 1585 M. Johann Sartor (Schneider), dessen Sohn Johann Heinrich Sartor als Schulmeister in Feuerbach tätig gewesen ist.
Es ist davon auszugehen, dass bereits im 16. Jahrhundert ein Pfarrhaus gebaut wurde, erkennbar an den aus jener Zeit stammenden Grundmauern.
Im Jahre 1568 wurde im Pfarrgarten das Bandhaus errichtet, welches einerseits die Besitztümer der Universität Tübingen verwaltete und in dem gewölbten Keller den Zehntwein lagerte. Auch eine im Pfarrgarten zwischen Bandhaus und Frühmesshaus gelegene  Pfarrscheuer wurde erwähnt, welche 1589/90 auch die Funktion einer Universitätszehntscheuer erhielt. Das Lagerbuch von 1705 (Bild 9) hat „der Universität eigene Güter von 1667“ wie folgt aufgelistet: „Ein Bindhaus, worauf… Frücht  liegt , und darunter ein großer gewölbter Keller: Item eine Zehendscheuer, worunter auch ein gewölbter Keller, ferner ein Pfarrhaus mit einem gewölbten Keller, und eine Pfarrscheuer, alles an- und beieinander im beschlossenen Pfarrhof, zwischen der Forst- und Schulbehausung, vorne auf dem Kirchhof, und hinten Michel Strohmaiers Garten stoßend.“

Das Bandhaus, die Pfarr-/Zehntscheuer und das Pfarrhaus bildeten demnach einen geschlossenen Pfarrhof unmittelbar neben Kirche und Kirchhof.
Unter der Ägide der Universität Tübingen wurde im Jahre 1667 das Pfarrhaus mit einem gewölbten Keller neu erbaut.
Die auch 1636 erwähnte Zehntscheuer mit Keller wurde 1704 abgebrochen und neu erbaut, in den Jahren 1756/57 vergrößert. Kleemann hat darauf hingewiesen, dass eine Rechnung von 1721 daran erinnert, „dass einst auf dem Fruchtkasten (ehemalige Universitätszehntscheuer hinter dem Pfarrhaus) ein Standbild von St. Urban thronte.“
1756 wurde das Pfarrhaus bis auf die Grundmauern abgerissen und, so wie das heutige Pfarrhaus aussieht,  neu errichtet (Bild 1).
Zwei  Architrave über den Haustüren zeigten das Baujahr1756 sowie V.T. (Universitas Tubingensis).
Nachdem das Innere des Pfarrhauses immer wieder geringfügig verändert wurde, hat es die Tübinger Universitätspflege im Jahre 1787 einem größeren Umbau  unterzogen.
Im selben Jahr trat Magister Johann Georg Schmid seinen Dienst als Gemeindepfarrer an; er war der Ehemann der Tante Ludwig Uhlands, welcher nach seinem Tübinger Juraexamen das Pfarrhaus in den Jahren 1812 bis 1820 mehrfach besucht hat. Im Pfarrgarten entstand 1814 die Ballade „Des Sängers Fluch“.

Gemäß Grundbuch wurde die Zehntscheuer 1823 dem Pfarrer zur Benutzung überlassen, 1828/29 wurde diese Pfarrscheuer zum Abbruch verkauft und der Keller der Scheuer verpachtet.
Das Bandhaus, welches 1789 baufällig gewesen ist, wurde neu erbaut und im Jahre 1829 an die Gemeinde Feuerbach verkauft.
Heinz Krämer macht auf den heute noch existierenden Brunnenschacht „im Winkel der Außentreppe“ aufmerksam.
Die 1899/1900 auf Veranlassung Kallees wegen der Freilegung des Pfarrhauses abgebrochene Pfarrscheuer (Bild 8), welche einen unterirdischen Gang zum Keller des Bandhauses hatte, trug über dem einstigen Torbogen einen Schlussstein mit der Jahreszahl 1624, dem Baujahr der Scheuer. Dieser Schlussstein ist zusammen mit weiteren Baumaterialien anno 1900 von Herrn Adolf Baitinger zum Neubau seines Hauses Eugenstraße 5 verwendet worden. Der Schlussstein mit der Zahl 1624 war damals noch sichtbar, der heute in dem neu erbauten Mehrfamilienhaus in der Lauterburgstraße 5 allerdings nicht mehr verwendet wurde.
Das Jahr 1624 ist noch in anderer Hinsicht interessant, denn in diesem Jahr erschien das „Landbuch deß Herzogthumbs Würtenberg“, worin über die Burg Frauenberg zu lesen war, dass „Frowenberg ein alt zerfallen Burgstall iff der Haid gegen Fewerbach zu gelegen, welche daher die Frowenberger Haid genannt würdt. Ist davon noch etlich mauerwerkh im Fundament zu sehen.“
Pfarrer Kallee berichtet 1906, dass früher der Hof von drei Scheuern (von denen zwei der Gemeinde gehörten) gegen Westen, Osten und Süden um­schlossen und düster war (Bild 8). „Schon meine Vorgän­ger hatten diese Überstände schwer empfunden und schon vor längerer Zeit den Abbruch der Pfarrscheuer beantragt (u.a. 1898 bei Schultheiß Dieterle).Der Pfarrscheuer-Keller wurde mit guter Erde aufgefüllt auf die Höhe des Gemüsegartens, der höher gelegen war als der Pfarrhof (durchschnittlich 1m höher).“ Die Grundmauern dieses Kellers sind noch heute sichtbar.
Das Pfarrhaus war seit 1825 bereits in der Verwaltung des Staates, aber noch bis 1942 Eigentum der Tübinger Universitätspflege, welches dann in Staatseigentum überging. Heute wird das Pfarrhaus vom Baden-Württembergischen Amt „Vermögen und Bau“ verwaltet.
Das bereits 1531 nachgewiesene Amt des Universitätspflegers wurde mit der Verwaltungsänderung im Jahre 1825 aufgelöst.

Der Zweite Weltkrieg führte 1944/45 zu einer partiellen Zerstörung des Pfarrhauses. In den Jahren 1967/68 wurde das Pfarrhaus unter Beibehaltung der Außenfront völlig umgebaut.

Der eher durch seine archäologischen Leistungen bekannte Pfarrer Richard Kallee, bezog gemäß Akte 56 des Landeskirchlichen Archivs im Herbst 1896 das Pfarrhaus, in welches er einen von der Zehntscheuer der Unteren Querstraße stammenden Wappenstein einmauern ließ (Bilder 4 und 5).  Er war eine starke Persönlichkeit, was sich insbesondere an seiner Idee für ein Feuerbacher Stadtmuseum zeigte, dessen Bau der Feuerbacher Gemeinderat im Jahre 1923 beschloss. 1924 ging er in den Ruhestand, blieb aber zunächst weiter im Pfarrhaus wohnen, was ihm eine Räumungsklage einbrachte. Das Verfahren der Räumungsklage (zugun­sten des Nachfolgers Raitelhuber, da Kallee 9 Monate nach Eintritt in den Ruhestand dort noch wohnte) des Oberkirchenamtes gegen Kallee kam aber am 8.6.1925 zum Abschluss. Zu diesem Zeitpunkt war Kallee kurz zuvor bereits in die Bismarckstraße 157 (Heimatmuseum) umgezogen.
In den Jahren 2013/14 wurde das dem Bundesland Baden-Württemberg gehörende Pfarrhaus einer Generalsanierung unterzogen. Dabei wurden erhebliche Schäden am Fachwerk sowie Wasserschäden an der Außentreppe (Bild 3) beseitigt.

Das Haus ist mit einer Informationstafel ausgestattet.


Quellen: Landeskirchliches Archiv, Hauptstaatsarchiv, R.  Heinz, F. Burkhardt, H.-U. Schwarz, G. Kleemann/K. Müller, R. Kallee, O. Hesse, H. Krämer, Liste der Kulturdenkmale

 

Mehr Informationen:
www.evangelische-kirche-feuerbach.de