Begehbares Feuerbacher Gedächtnis

Gasthaus zum HIRSCH

Stuttgarter Straße 104

Gasthof zum Hirsch 19. Jh. (Bild: Archiv Rieker) Bild 1 von 6: Gasthof zum Hirsch 19. Jh. (Bild: Archiv Rieker)

Der HIRSCH wurde im Jahre 1768 eröffnet. Er ist somit eines der ältesten Schildwirtshäuser (Gaststätten mit Übernachtungsmöglichkeit) der Gemeinde und lange Zeit die größte, mit einem Saal und Nebenzimmern ausgestattete, Gastwirtschaft in Feuerbach. Pfarrer Kallee schrieb darüber: „Die alten Schilde, besonders am Hirsch und am Adler (Mühlbergstraße 11), gehören zu den guten, alten schmiedeeisernen Schilden, wie es sie nicht überall mehr gibt.“

Vor dem Lokal stand früher noch der Hirschbrunnen (Bild 1).

In der Frühzeit sollen hier die Jagdgäste der Herzöge abgestiegen sein. Seine Glanzzeit dürfte der Gasthof aber unter der Leitung von Carf Haffner gehabt haben. Als im Jahre 1859 der tägliche Postwagen von Calw nach Stuttgart in Feuerbach Halt machte, war der Hirsch Poststation Im selben Jahr gründete Carf Haffner zusammen mit dem Kaufmann Gabler die überaus aktive Mittwochgesellschaft, welche die Entwicklung von Feuerbach maßgebend beeinflusst hat. Sie tagte regelmäßig im Hirsch und der Saal war immer gut mit Veranstaltungen belegt. Der „Weingärtner- und Güterbesitzer-Verein“, Ursprung des WOGV, wurde hier am 4.11.1881 gegründet.
Nach 1900 verkehrten hier (Bild 4) vorwiegend Arbeitnehmer, weshalb der Hirsch fälschlicherweise als Gewerkschaftshaus bezeichnet wurde.
In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg tranken in dem Lokal, das auch über eine Gartenwirtschaft verfügte, nicht nur die Feuerbächer gerne ihren Schoppen, auch zahlreiche Stuttgarter Ausflügler kamen hierher, vor allem sonntags, und man holte die Gäste gar mit dem Pferdeomnibus vom Bahnhof Feuerbach ab.
Im Jahre 1911 verstarb im Alter von 82 Jahren der Wirt Carl Haffner, der sich um die Entwicklung in Feuerbach große Verdienste erworben hatte. So war er auch Bauherr des 1894/95 errichteten Bahnhotels.
Ab 1913 erscheint im Adressbuch als Eigentümer des Lokals die Württembergische Grundstücksgesellschaft, eine Tochter der Brauerei Wulle, und als Pächter Albert Niethammer, der die Bedeutung der Gasthauses Hirsch in den ersten dreißiger Jahren geprägt hat. Er versuchte jedoch vergeblich, das Lokal zu kaufen.
 
1917/18 wurde auch der Hirsch – wie andere Lokale – vom Militär belegt.
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte das Gasthaus (Bild 5) wieder einen  starken Aufschwung zu verzeichnen, was daran lag, dass der Hirsch einen großen Saal hatte, der vielerlei Veranstaltungen wie Familienfeiern, Vereinssitzungen und Parteiveranstaltungen ermöglichte.

1926 trat hier der NS-Agitator und spätere Reichspropagandaminister Goebbels auf, der nach seiner Rede durch die Hintertüre flüchten musste. In seinem Tagebuch notierte er enttäuscht: „Abends Kampf in Feuerbach. Von 8-12 Uhr. Zum Schluss die Internationale. Lumpenproletariat, das nicht bekehrt sein will. Muss mit Gewalt glücklich gemacht werden.“
Das Lokal wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1954 durch einen Neubau (Bild 6) ersetzt, in dem wiederum bis 1964 ein Gasthof zum Hirsch seine Gäste bewirtete. Später nutzten nacheinander verschiedene Bäckereien die Räumlichkeiten.   
Heute betreibt in diesem Gebäude die im Jahre 1958 in Ditzingen gegründete Bäckerei Trölsch eine Filiale.

Quellen: Adreßbücher Feuerbach,  Chronik von Feuerbach,  U. Gohl, R. Kallee, J. Kurz, K. Müller, Oberamt Stuttgart