Vortrag im Bürgerhaus Feuerbach:

Wissenschaftler kritisieren Grundwassermanagement

Diplom-Geologe Rolf Laternser (l.) und Diplom-Physiker Roland Morlock referierten auf Einladung der Initiative Feuerbach für K21 und den NaturFreunden. Foto: Susanne Müller-Baji Bild 1 von 1: Diplom-Geologe Rolf Laternser (l.) und Diplom-Physiker Roland Morlock referierten auf Einladung der Initiative Feuerbach für K21 und den NaturFreunden. Foto: Susanne Müller-Baji

Feuerbach - Der Zeitpunkt des Vortrags war zufällig gewählt, aber passend: Gerade wurde dem Stuttgarter Gemeinderat noch ein weiteres Planfeststellungsverfahren zum Grundwassermanagement bei Stuttgart 21 angekündigt, weil wohl deutlich größere Wassermengen abgepumpt werden müssen als angenommen.

Für die Referenten des Abends, den Diplom-Geologen Rolf Laternser und den Diplom-Physiker Roland Morlock, ist das nur ein Zeichen mehr, dass die Deutsche Bahn bei ihrer Planung nicht mit offenen Karten spielt. Mit „Das Mineralwasser ist sicher – basta!“ hatten sie daher ihren Vortrag für die Initiative Feuerbach für K21 und die Ortsgruppe der Naturfreunde ironisch überschrieben und damit reichlich Besucher in die Bürgerhausetage gelockt. 

Sorge wegen Muschelkalk und Gipskeuper
Denn sicher scheint nur, dass es keine sichere Prognose gibt, wie die Mineralwasservorkommen auf die geplanten Eingriffe reagieren werden – von den Mehrkosten ganz abgesehen. Warum Vorhersagen so schwierig sind, zeigte Laternser anhand der Bodenschichten in der Innenstadt und in Feuerbach auf. Entscheidend seien vor allem zwei davon: Der in diesem Bereich Mineralwasser führende obere Muschelkalk und der Gipskeuper, der sich oft recht unberechenbar verhalte: Wasser kann ihn aufquellen lassen und dabei Hohlräume schaffen, die in der Folge einstürzen könnten. Dass das nicht unwahrscheinlich sei, zeigten in Bad Cannstatt gleich zwei Einbrüche in den vergangenen 40 Jahren.
Andererseits, sagte Laternser, könnte aber auch von Feuerbach eine Gefahr für die Stuttgarter Mineralwasservorkommen ausgehen – wegen der im Boden schlummernden Altlasten hiesiger Betriebe. Denn zum Teil fließe das Mineralwasser auch unter dem Stuttgarter Norden, ehe es sich unter dem Kessel sammelt. Und es handle sich dabei um ein sensibles und bislang nicht abschließend erforschtes System von Fließrichtungen und mineralwasserführenden Schichten, das jeder Eingriff aus der Balance bringen könnte. 

Notfallplan der Bahn
Was die Bahn in Sachen Schadensbegrenzung ersonnen hat, zeigte dann Roland Morlock auf: Im Notfall würde man Leckstellen an der Erdoberfläche mit Beton verschließen. Oder geophysikalische Blockaden durch die gezielte Einleitung von Trinkwasser ins Mineralwasser schaffen. Das aber sei problematisch: Trinkwasser gelte Fachleuten im Vergleich zu Mineralwasser als „schmutzig“, die Qualität würde in jedem Fall leiden. Ohnehin, so erläuterte der Physiker, stünden die Baumaßnahmen von Stuttgart 21 in glattem Widerspruch zum gesetzlichen „Heilquellenschutz“. Laternser hatte zuvor angeführt, dass die derzeitigen Planungen Sondergenehmigungen in 25 Fällen voraussetzten.

Anschließend kamen die Zuhörer zu Wort: Was die Zuleitung von Trinkwasser koste, und wer dafür gerade stehe, wollte ein Gast wissen. Billig werde diese Schadensbegrenzung nicht, sagte Laternser: „Eigentlich müsste die Bahn dafür aufkommen, aber bei Stuttgart 21 weiß man das ja nie so genau.” Eine andere Besucherin fragte, was aus dem Grundwassermanagement im Mittleren Schlossgarten werde, wenn der Tiefbahnhof irgendwann einmal fertig gebaut sei: „Bleibt der Koloss dann so stehen?” Die beiden Experten waren ratlos – darüber verliere niemand ein Wort. Laternser schloss mit einem Zitat des Chef-Geologen der Bahn, der im Januar gesagt habe: „Was passiert, werden wir erst sehen, wenn wir bauen.“ Das erinnerte doch verdächtig an die Kampagne der S 21-Gegner: „Es stimmt, dass Stuttgart 21 das zweitgrößte Mineralwasservorkommen in Europa gefährdet”, hatten die in Anlehnung an die Slogans der Deutschen Bahn behauptet: „Es stimmt aber auch, dass wir dank S 21 drei Minuten schneller beim größten Mineralwasservorkommen in Budapest sind.”

 

Von Susanne Müller-Baji
Mit frdl. Genehmigung der Nord-Rundschau

Veröffentlicht am 02.07.2012