Narrensause und ein geschlossenes Bürgerbüro:

Beim Rathaussturm haben Wolfskehlen, Schaffle, Waschweiber & Co. die Macht im Ort (kurzzeitig) übernommen

Wolfskehle und Bock führen ihr 'Opfer', den Feuerbacher Bezirksvorsteher Johannes Heberle, nach Erstürmung und Sicherstellung des Rathausschlüssels ab... - viel Spass beim Anschauen der Fotogalerie! Fotos: S. Müller-Baji Bild 1 von 4: Wolfskehle und Bock führen ihr 'Opfer', den Feuerbacher Bezirksvorsteher Johannes Heberle, nach Erstürmung und Sicherstellung des Rathausschlüssels ab... - viel Spass beim Anschauen der Fotogalerie! Fotos: S. Müller-Baji

Schier endlos wollte der Feuerbacher Narrenzunft e. V. die fasnetfreie Zeit der Coronajahre scheinen, am Donnerstag konnten ihre Mitglieder jetzt endlich wieder das Bezirksrathaus stürmen.

Und der knitz als Talkrabb verkleidete Bezirksvorsteher Johannes Heberle seilte ohne nennenswerte Gegenwehr den riesigen Holzschlüssel ab. Lange Freude werden die Narren aber an ihrer Regentschaft nicht haben – schließlich ist am Aschermittwoch bekanntlich alles schon wieder vorbei.

Aber noch regiert die Narretei: Erst spielte am Donnerstag die mitgebrachte Jahrmarktsorgel auf dem Wilhelm-Geiger-Platz, dann kam der „Bock“ buchstäblich auf einen Sprung vorbei und mit ihm die übrigen Charakterköpfe der Feuerbacher Fasnet: Wolfskehlen, Schaffle, Waschweiber und der Narrensamen nahmen ihren Platz auf und rund um den Biberbrunnen ein. Eine imposante und vor allem recht bunte Gemengelage aus rotem und beigem Filz, Fell, Bockshörnern, Schellen, Blauhemden und Spitzenhäubchen war das – und man war auf Krawall gebürstet.

„Guck, des isch des Rathaus: Da send die drene, wo die ganze Woch' nix schaffe“, hatte ein Vater seinem kleinen Sohn zuvor schon die Welt aus Narrensicht erklärt. Jetzt ging es in den Reden zur Sache: Vor allem die seit Monaten währende Schließung des Bürgerbüros stachelte das niedere Volk nun zur Revolution auf. Nettes Detail am Rande: Jochen Schmaus hatte für seinen Verein „Schwabenstein e.V.“ den Rathaussturm schon einmal in Lego-Steinen vorempfunden und präsentierte das Resultat parallel zur eigentlichen Veranstaltung auf dem Wilhelm-Geiger-Platz. Wo aber im Spielzeug-Modell der Eingang zum Bürgerbüro gewesen wäre, prangte nun ein türgroßes Spinnennetz.
Das geschlossene Bürgerbüro ist ein Ärgernis, das die Feuerbacher gewaltig umtreibt – schließlich müssen sie jetzt ihre Amtsgänge vom Führerschein-Abholen bis zum Reisepass-Beantragen in Weilimdorf oder Zuffenhausen erledigen. Im Grunde nicht ist dies zwar nicht Angelegenheit des Feuerbacher Bezirksrathauses, das nur die Räumlichkeiten vermietet. Das Bürgerbüro selbst untersteht der Stuttgarter Stadtverwaltung, von der sich zum Rathaussturm aber freilich keiner blicken ließ. Hausherr Johannes Heberle klappte daher sein kostümiertes Krähenschnabel-Visier herunter und stellt sich einer Verantwortung, die nicht seine eigene ist.

Denn nun nahm das aufgebrachte Narrenvolk, die dröge Angelegenheit selbst in die Hand, belagerte das Feuerbacher Rathaus mit Polonäsen und allerlei Anklagereden, bis die Belegschaft freiwillig den überdimensionalen Holzschlüssel herunterließ. Unter Akkordeon- und Paukenklängen ging es alsdann eine Runde durch das eingenommene Gebäude, bis im Anschluss alle – Bock, Wolfskehlen, Schaffle, Waschweiber, Narrensamen und das Feuerbacher Volk – unten auf dem Platz den Maccarena tanzten.

Und nach dem Rathaussturm war dann ja auch unmittelbar vor dem beliebten Feuerbacher Straßendapp am Samstag. Wessen Ding die alemanische Fasnet so gar nicht ist, der erlebte abends den rheinischen Karneval beim Rösslesball des Karnevalsclubs Stuttgarter Rössle in der Festhalle. Und ebendort fand am Sonntag auch der Kinderfasching statt.

Schadenfrohe Naturen dürfen sich freilich auch schon auf den Aschermittwoch, 22. Februar, freuen: Dann sind die närrischen Tage wieder vorbei und die Narrenzunft trifft sich reumütig und im Trauerflor um 11 Uhr am Biberbrunnen, um unter Heulen und Zähneklappern den Rathausschlüssel zurückzugeben und ihre Geldbeutel zu waschen. Motto des Tages: „Hedsch dei Maul mit Wasser g'riebe, wär des Geld im Beutel bliebe!“ So schnell kann's gehen.

Allein das geschlossene Bürgerbüro, das bleibt den Feuerbachern „bis mindestens Ende April“. So ist laut Bezirksvorsteher Johannes Heberle der aktuelle Stand der Dinge. Um den zugrundeliegenden Personalengpässen zu begegnen, laufen anscheinend die Bewerbungen und überdies gebe es nun den Vorstoß, auch interessierten Quereinsteigern den Umstieg auf Jobs in der Verwaltung zu erleichtern. Ob das hilft und das Bürgerbüro im Mai wiedereröffnet, diese Frage kann derzeit aber keiner beantworten.


Von Susanne Müller-Baji


Veröffentlicht am 22.02.2023