Begehbares Feuerbacher Gedächtnis

Wohnhaus von Otto und Maria Herrmann

Elsenhansstraße 15

Hier wohnten Otto und Maria Herrmann (Bild: Arendt 2011) Bild 1 von 12: Hier wohnten Otto und Maria Herrmann (Bild: Arendt 2011)

Dies ist das elterliche, von Alois Mayer erbaute Haus (Bild 1) von Maria Herrmann, geborene Mayer. 1937 heiratete sie den Maler und Grafiker Otto Herrmann (1899-1995) und lebte hier gemeinsam mit ihm in einer Atelierwohnung. Otto Herrmann war Sohn einer Arbeiterfamilie, geboren in der Kaiserzeit Wilhelms II. Sein Vater war durch einen Arbeitsunfall erwerbsunfähig geworden. Seine Mutter war eine außergewöhnliche Frau, die der Lehre Rudoph Steiners anhing und neben den beiden eigenen Kindern noch ein Mädchen adoptierte. Sie erkannte und förderte die künstlerische Begabung ihres Sohnes. Er besuchte die Volksschule und absolvierte ab 1914 eine Lehre als Chemigraph. Danach war er arbeitslos und meldete sich 1918 freiwillig zum Kriegsdienst. Doch schon die ersten Tage in der Kaserne und die Erlebnisse im Stellungskrieg im oberen Elsass haben ihn zu einem Kriegsgegner gemacht und seine künstlerische Haltung geprägt.
Nach Ende des Krieges mußte er aufgrund einer Verwundung einige Zeit im Lazarett verbringen. Wieder genesen diente er noch bis April 1919 bei der Kavallerie in Cannstatt und dankte ab, als diese zur Niederschlagung der Räterepublik in München eingesetzt werden sollten. Nach einer erneuten Zeit der Arbeitslosigkeit gelang es ihm 1920, in die Kunstakademie Stuttgart aufgenommen zu werden. Bis 1928 studierte er dort, unternahm Studienreisen nach München, Paris und Italien und war in den letzten Jahren Meisterschüler bei Professor Heinrich Altherr.
Seine berufliche Laufbahn begann er als Zeichner bei den namhaften Satire-Zeitschriften „Jugend“, „Uhlenspiegel“ und „Simplicissimus“, die Redaktion der letzteren wurde im Februar 1933 verwüstet und von den Nationalsozialisten später „gleichgeschaltet“. Parallel zu seiner beruflichen Arbeit wurde er aktiv in der „Assoziation revolutionärer bildender Künstler“. So kam es zur Zusammenarbeit mit dem Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf, der den „Spieltrupp Südwest“ – ein Arbeitertheater – organisierte. Viele seiner künstlerischen Arbeiten aus dieser Zeit vernichtete Otto Herrmann 1933, als einige seiner Künstlerkollegen verhaftet wurden. Drei Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten versuchte er, noch als freier Künstler zu existieren. 1936, nachdem man ihm Ausstellungsverbot erteilt hatte, nahm er in München eine Stelle als Autotypie-Ätzer an. 1937 wurde bei „Säuberungsaktionen“ ein Bild von ihm als „entartet“ aus der Staatsgalerie entfernt. 
Otto Herrmann war gleich bei der Mobilmachung im Sommer 1939 als Rekrut eingezogen und schließlich in einem Ausbildungslager für schwere Artillerie in Brünn eingesetzt worden. Aufgrund einer Freistellung zur Industriearbeit im Februar 1940 entging er einem gefährlichen Einsatz an der Westfront.
Im Jahre 1944 wurde dieses Wohnhaus mit Atelier bei einem Bombenangriff der Alliierten partiell zerstört. Der Großteil von Herrmanns Werken verbrannte. Nach Kriegsende malte und zeichnete er in den Ruinen der Stadt, bis ihm der Roman „Stalingrad“ von Theodor Plievier in die Hände fiel.
„Die erschütternde Lektüre des Romans […] gab mir den Auftrieb für den umfangreichen Zyklus „Die Verdammten“. Ich machte keine Illustrationen. Es war die Atmosphäre des Buches, die mich fast erdrückte, der ich eine Gestalt geben musste. Meine Erlebnisse als Soldat in der Panik des Zusammenbruchs der Westfront im Ersten Weltkrieg und als Landser im Zweiten verwob ich mit dem Entsetzen von Stalingrad. Jahrelang lebte meine Arbeit von diesen Erschütterungen. […]“ (Lebenserinnerungen, Otto Herrmann)
Das Mappenwerk war ein wichtiger und arbeitsintensiver Auftakt seines erneuten Schaffens nach dem Krieg.
Der Künstler blieb in seiner Darstellung bei einem expressiv-realistischen Stil und verteidigte ihn vehement. Der westdeutsche Kunstmarkt jedoch orientierte sich an der abstrakten Kunst aus Frankreich und den USA, die unter den Nationalsozialisten geschmäht worden war. So kam es, dass Otto Herrmann, nach anfänglichem Erfolg zu Beginn der 1950er Jahre, bis zum Ende der 1960er Jahre zurück gezogen arbeitete und dann erst langsam und regional wieder in größeren Ausstellungen gezeigt wurde. Heute wird er zu den Vertretern des Expressiven Realismus gezählt. Als Zeitzeuge hat er sich mit dem politischen und alltäglichen Geschehen auseinandergesetzt. Charakteristisch ist der gesellschaftskritische Ansatz, der in seinen Zeichnungen, Grafiken und Malereien zum Ausdruck kommt. Wie kein anderer benutzte er dabei grafische Elemente in seiner Malerei und malerische Elemente in der Grafik.

Maria Herrmann war die Tochter eines Feuerbacher Zimmermanns namens Mayer. Ihre Ausbildung als Sozialarbeiterin hatte sie sich selbst finanziert. Mit ihrer Anstellung beim Arbeitsamt und der Betreuung von Frauen brachte sie es vor und erst recht nach dem Krieg zu leitenden Positionen. Sie engagierte sich mit Vorträgen und Maßnahmen besonders für die Ausbildung von Mädchen und die Fortbildung von Frauen, um deren wirtschaftliche Unabhängigkeit zu fördern. Maria Herrmann war es, die bereits vor ihrer Ehe mit dem Künstler Otto Herrmann für den gemeinsamen Lebensunterhalt sorgte.
Im Jahre 1999 gründete Maria Herrmann kurz vor ihrem Tod die Otto & Maria Herrmann Stiftung, deren Ziel es ist, die Werke Otto Herrmanns der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Im Jahre 1998 wurde nach ihm in Feuerbach der Otto-Herrmann-Weg benannt.


Textbeitrag: Natalie Kreisz

Das Wohn- und Atelierhaus von Otto und Maria Herrmanns ist mit einer Informationstafel ausgestattet.

Diese Straße hieß bis 1938 Schreinerstraße. Namensgeber der Elsenhansstraße ist die bekannte Familie Elsenhans: Johannes Elsenhans (1777-1841) war Amtsverweser und Schultheiß in Feuerbach, seine Söhne Johannes und Ernst beteiligten sich an der Revolution 1848/49. Johannes landete deswegen im Gefängnis Asperg und Ernst wurde hingerichtet.


Quellen: Otto & Maria Herrmann Stiftung, Susanne Müller-Baji, Georg Friedel, Jörg Kurz, Exil-Archiv, Die Stuttgarter Straßennamen

www.herrmann-stiftung.de