Kristallkugeln, Schwäne und ornamentale Pflanzen: In der Feuerbacher Hohewartstraße hat Christoph Ganter alias Graffitikünstler "Jeroo" kürzlich einer Umspannstation ein neues, poetisches Kleid verpasst.
Der Sprayer ist aber auch noch an anderen Stellen im Stuttgarter Norden präsent und ein aufmerksamer Stadtrundgang lohnt sich unbedingt.
Zauberhafte Tier- und Pflanzenmotive, verspielt, aber nie süßlich – das ist die Welt von Christoph Ganter alias Jeroo und sie ist mittlerweile in vielen Ländern beheimatet. Schon vor Jahren er ein ein international viel beachtetes Lehrwerk für Graffiti-Kunst geschrieben, das gleich in fünf Sprachen übersetzt wurde: “Graffiti School”, ISBN 978-3-7913-4841-4, erschienen bei Prestel. Jetzt hofft er auf ein baldiges Ende der Pandemie, denn ein weiteres Vorhaben sollte ihn dieser Tage eigentlich nach Lettland führen.
Doch auch vor Ort in Stuttgart gibt es einiges von ihm zu entdecken. Und das neu gestaltete Umspannhäuschen in der Hohewartstraße ist sozusagen sein “Best of”-Programm: Da es für diesen Auftrag keine Vorgaben gab, konnte der Künstler hier seine Lieblingsbildelemente verwenden: Wasservögel, “die mich mit ihren langen Hälsen immer auch ein bisschen an Schrift erinnern”, wie er sagt, dazu ornamentales, an den Jugendstil erinnernde Pflanzen und Kristallkugeln.
Letztere erfüllen im jüngsten Kunstwerk auch einen besonderen Zweck: Da zusätzlich zur eigentlichen Trafo-Station auch noch zwei angegliederte Schaltkästen und ein wenige Meter entfernt stehendes weiteres Kastenelement gestaltet werden sollte, sind die Facetten der Kristallkugel in gutes Element, um eine perspektivische Verzerrung optisch abzumildern. Denn die weiteren Elemente sollen sich ja aus unterschiedlichen Blickwinkeln optisch harmonisch in das Gesamtmotiv eingliedern.
So eine Sammlung an Lieblingselementen erleichtert es aber auch dem Laien, weitere von Jeroo gestaltete Flächen ausfindig zu machen: In Feuerbach etwa die Fassade am Fairkauf-Sozialkaufhaus, das die Caritas vor einigen Jahren zu Ihrem Jubiläum von ihm gestalten ließ. Älter ist eine andere Servicestation oben vor der Wohnanlage am Weißenhof: Auch hier tauchen schon die irgendwo zwischen Märchenillustration und japanischem Manga schwebenden Vögel des Grafitti-Künstlers auf.
Ein ganz besonderes Meisterwerk hat Jeroo aber an der S-Bahn-Haltestelle Nordbahnhof geschaffen: Finanziert mit den Mitteln aus staatlichen Lotto-Einnahmen hat er auf dem Bahnsteig eine weitere Servicestation sowie das gesamte Gebäude samt Abgang zur Straße hin gestaltet – als besonderen Hinweis auf den Auftraggeber mit Glückssymbolen aus aller Welt: Vom Schweinderl bis zum Elefanten, vom Marienkäfer bis zum Goldfisch. Und mit jeder Menge vierblättriger Kleeblätter und unzähligen Glückspilzen dazwischen. Glück und Farbe im ansonsten recht tristen Alltag – da lohnt sich das Hinschauen.
Von Susanne Müller-Baji